1. Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Erbteilung
Rz. 317
Im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses nach §§ 2042 ff. BGB sind u.U. Vorempfänge auszugleichen, die der Erblasser zu Lebzeiten seinen Abkömmlingen gewährt hat, §§ 2050 ff. BGB. Damit die Auseinandersetzung ordnungsgemäß vorgenommen werden kann, gewährt § 2057 BGB jedem Miterben einen Anspruch auf Auskunft über solche ausgleichungspflichtigen Vorempfänge (Ausstattungen, §§ 2050 Abs. 1, 1624 BGB; Schenkungen, §§ 2050 Abs. 3, 516 BGB; übermäßige Zuschüsse und übermäßige Berufsausbildungskosten, § 2050 Abs. 2 BGB).
Der Auskunftsanspruch der Miterben aus § 2057 BGB geht dem Auseinandersetzungsanspruch aus § 2042 BGB vor, d.h. bevor die Teilung das Nachlasses verlangt werden kann, müssen alle Auskünfte über ausgleichungspflichtige Vorempfänge erteilt sein, weil die bei der Erbteilung vorzunehmende Ausgleichung erst nach Auskunftserteilung möglich ist. Das heißt, die Nichterteilung von Auskünften gewährt eine Einrede gegen den Erbauseinandersetzungsanspruch (vgl. hierzu das Muster für eine Widerklage Rdn 324).
2. Gläubiger des Auskunftsanspruchs
Rz. 318
Gläubiger ist jeder Miterbe, der zum Kreis der Erbberechtigten gehört, also Miterbe der betreffenden Erbengemeinschaft ist.
Aber auch der Testamentsvollstrecker, zu dessen Aufgabe die Auseinandersetzung des Nachlasses gehört, kann Auskunft verlangen, weil er andernfalls eine ordnungsgemäße Auseinandersetzung nicht vornehmen könnte.
3. Schuldner des Auskunftsanspruchs
Rz. 319
Schuldner des Auskunftsanspruchs ist jeder nach §§ 2050 ff. BGB Ausgleichsverpflichtete, aber auch ein nichterbender pflichtteilsberechtigter Abkömmling im Hinblick auf etwaige ausgleichungspflichtige Zuwendungen i.S.v. § 2316 BGB. Letzteren Auskunftsanspruch in entsprechender Anwendung von § 2057 BGB zieht das OLG München neuerdings in Zweifel. Allerdings m.E. zu Unrecht, denn wie sollte der Erbe sonst beurteilen können, wie hoch der Pflichtteilsanspruch eines Abkömmlings ist?
4. Inhalt des Auskunftsanspruchs
Rz. 320
Nicht über jede Zuwendung ist Auskunft zu geben, sondern nur über solche, die auch der Ausgleichung nach §§ 2050 ff. BGB unterliegen. Anzugeben sind solche Zuwendungen, die nach ihren generellen Eigenschaften, also auch nur möglicherweise von den Ausgleichungsvorschriften erfasst werden. Dem Auskunftsschuldner kann es nicht überlassen bleiben, die rechtliche Qualifikation einer Ausgleichungspflicht alleine vorzunehmen. Aus demselben Grund sind auch sog. Pflicht- und Anstandsschenkungen anzugeben. Der Auskunftsverpflichtete hat sich hierzu anhand sämtlicher erreichbarer Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und notfalls mit Unterstützung von Hilfspersonen zu vervollständigen.
In der Praxis ist auch zu fragen
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nach erlassenen Schulden (Erlassvertrag = verfügendes Rechtsgeschäft, § 397 BGB), deren Kausalgeschäft ebenfalls eine ausgleichungspflichtige Zuwendung sein kann; |
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nach mietfreier Nutzung von Gebäuden bzw. Gebäudeteilen (Wohnung, Praxisräume, Gewerberäume); auch insofern kann eine Ausstattung oder eine Schenkung vorliegen. |
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Auch der Aufgabe dinglicher Rechte (§ 875 BGB), wie Verzicht auf Nießbrauch oder Wohnungsrecht, kann als causa eine Schenkung oder Ausstattung zugrunde liegen. |
Nach h.M. ist – noch auf der Grundlage zweier RG-Entscheidungen – eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte "Totalaufklärung" geschuldet.
Über folgende lebzeitige Zuwendungen ist – entsprechend der Verweisung in § 2057 BGB auf die §§ 2050 ff. BGB – Auskunft zu erteilen:
Rz. 321
Wegen der Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verweist § 2057 BGB auf § 260 BGB (vgl. dazu Rdn 329).
5. Wertangaben
Rz. 322
Angaben zum Wert sind allenfalls auf der Grundlage von § 242 BGB zu machen, vor allem über wertbildende Faktoren eines zugewendeten Gegenstandes. Ein Anspruch auf Erstellung und Vorlage eines (Sachverständigen-)Wertgutachtens besteht allenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben.