Rz. 142
Familienrechtliche Auskunftsansprüche können indirekte Auswirkungen auf das Erbrecht haben:
Rz. 143
1. Auskunftsanspruch des nichtehelichen Kindes über die eigene Abstammung
Rz. 144
a) Auskunftsanspruch aus der gegenseitigen allgemeinen Beistands- und Rücksichtnahmepflicht
Im Hinblick auf das gesetzliche Erbrecht des nichtehelichen Kindes an seinem Vater und an dessen Verwandten ist der Auskunftsanspruch des nichtehelichen Kindes über seine eigene Abstammung von besonderer Bedeutung.
Dieser Auskunftsanspruch des Kindes gegen seine Mutter auf Benennung seines Vaters ergibt sich nach der Rechtsprechung des BVerfG aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Denn das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Umgekehrt begründet das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht eines Mannes auf Kenntnis davon, ob ein Kind von ihm abstammt. Die Grundrechte des Kindes können hierbei das einer Auskunftspflicht auf Seiten der Mutter entgegenstehende allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG überwiegen. Als Anspruchsgrundlage wird § 1618a BGB – Beistandspflicht – herangezogen.
Rz. 145
b) Auskunftsanspruch des nichtehelichen Kindes auf Benennung des Vaters
Die Gerichte haben zwischen dem Anspruch des Kindes auf Benennung des Vaters und dem Interesse der Mutter auf Geheimhaltung einen weiten Abwägungsspielraum.
Dazu das BVerfG:
Zitat
1. Das aus GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den engeren persönlichen Lebensbereich und darüber hinaus die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, inwieweit und gegenüber wem er persönliche Lebenssachverhalte offenbart (vgl. Grundsatzurteil zum Volkszählungsgesetz, BVerfG, 15.12.1983,1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1 [43 f.]). Allerdings ist dieses Recht nicht vorbehaltlos gewährleistet. Der Einzelne hat Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen (vgl. dazu BVerfG a.a.O.).
2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfaßt zwar auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 verleiht aber kein Recht auf Verschaffung solcher Kenntnisse, sondern kann nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen durch staatliche Organe schützen (vgl. BVerfG, 31.1.1989, 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256 [268 f.]).
3. Die Frage, ob das nichteheliche Kind gegenüber seiner Mutter einen Anspruch auf Benennung des Vaters hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist vielmehr vom Gesetzgeber oder von den Gerichten bei der Wahrnehmung ihrer aus den Grundrechten folgenden Schutzpflicht zu entscheiden. Bei der Erfüllung der Schutzpflicht ist es Aufgabe der jeweils zuständigen staatlichen Organe, zwischen einander gegenüberstehenden Grundrechten abzuwägen und die negativen Folgen zu berücksichtigen, die eine bestimmte Form der Erfüllung der Schutzpflicht haben könnte.
Rz. 146
Eine nichteheliche Tochter hatte ihre Mutter auf Auskunft über Namen und Anschrift ihres leiblichen Vaters in Anspruch genommen. Zur Begründung trug die Tochter vor, sie wolle ihren Vater aus persönlichen Gründen und zur Geltendmachung von Unterhalts- und Erbansprüchen kennen. Die Mutter kann auch verpflichtet sein, dem Kind Auskunft über Namen und Anschrift eines bestimmten Anschlussinhabers für eine Handy-Nummer zu erteilen. Soweit dem Auskunftsbegehren die Geltendmachung von Unterhalts- und Erbansprüchen zugrunde liegt, sind Rechtspositionen tangiert, die gem. Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützt sind.
Rz. 147
Ist eine Verurteilung der nichtehelichen Mutter auf Auskunft über die Person des natürlichen Vaters erfolgt, so wird das Urteil nach § 888 ZPO vollstreckt. Erfüllt ein Schuldner eine Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann, so ist, wenn die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, gem. § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO auf Antrag zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft anzuhalten ist. Der Anordnung des Beugezwangs steht § 888 Abs. 3 ZPO nicht entgegen.
Rz. 148
Exhumierung des Vaters zur Klärung der Abstammung – OLG München, Beschl. v. 19.1.2000:
Zitat
"Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hat Vorrang vor der Achtung der Totenruhe; soweit zur Feststellung der Abstammung erforderlich, haben die Berechtigten der sog. Totenfürsorge daher eine Exhumierung zur Entnahme von Gewebeproben zu dulden. …"
Rz. 149
Es entspricht dem Grundgesetz, wenn die Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts des betroffenen Kinde...