Rz. 15
Der Anwalt, der eine gegen die Erbengemeinschaft geltend gemachte Forderung abwehren soll, wird zunächst zu prüfen haben, ob er tatsächlich alle Miterben vertreten darf oder ob hier nicht Interessenkollision droht (siehe hierzu im Einzelnen § 30).
Rz. 16
Nach der Entscheidung des II. Senats BGH zur Rechtsfähigkeit der GbR wurde (erneut) diskutiert, ob diese Rechtsprechung auf die Erbengemeinschaft zu übertragen sei. Die Diskussion ist nach mehreren Entscheidungen des BGH zugunsten der bisherigen Rechtsauffassung praktisch beendet: Zwar ist auch bei der Erbengemeinschaft ein durch die Gesamthand gebundenes Sondervermögen vorhanden. Im Gegensatz zur GbR ist die Erbengemeinschaft aber dadurch gekennzeichnet, dass sie gesetzlich und nicht rechtsgeschäftlich begründet wird. Zudem ist die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung gerichtet und keine werbende Gesellschaft. Die Erbengemeinschaft ist folglich auch nicht parteifähig. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Erbengemeinschaft als nicht-rechtsfähige Personenvereinigung i.S.v. § 70 Nr. 2 SGG zwar fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Sie ist jedoch nicht derart nach § 75 Abs. 2 SGG an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt, dass die Entscheidung ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
Rz. 17
Selbst wenn sämtliche Miterben der Erbengemeinschaft an einem Prozess beteilig sind, bleiben dennoch die einzelnen Miterben selbst Partei. Daher ist jeder einzelne Miterbe den prozessualen oder materiell-rechtlichen Einwendungen ausgesetzt, kann sie aber auch gleichermaßen allein geltend machen. Die weitere Konsequenz ist die begrenzte Rechtskraftwirkung von Urteilen, die gegen einzelne Miterben ergangen sind: Ein im Einzelprozess gegen einen oder mehrere Miterben ergangenes rechtskräftiges Urteil wirkt ausschließlich zwischen den Parteien des Prozesses. Es gibt keine Rechtskrafterstreckung auf nicht im Verfahren beteiligte Miterben.
Rz. 18
Bei der Gesamtschuldklage sind die Miterben keine notwendigen Streitgenossen. Werden die Miterben dagegen im Wege der Gesamthandklage in Anspruch genommen, besteht zwischen ihnen notwendige Streitgenossenschaft. Zur Gesamtschuld- sowie Gesamthandklage vgl. unten Rdn 26 sowie ausführlich § 6 Rdn 240 ff. und 247 ff.
Im Sozialrecht kann eine notwendige Streitgenossenschaft der Miterben nach § 74 SGG, § 62 Abs. 1 ZPO bestehen.
Rz. 19
Bei einer Klage der Erbengemeinschaft sollte bereits aus prozesstaktischen Gründen lediglich ein Miterbe klagen, damit die übrigen Erben ggf. als Zeugen zur Verfügung stehen. Einer oder mehrere Miterben können Forderungen der Erbengemeinschaft im Aktivprozess geltend machen. Wegen § 2039 BGB ist auf Leistung an sämtliche Miterben zu klagen (actio pro socio; siehe auch § 4 Rdn 165 ff.), nicht aber auf Leistung an die Erbengemeinschaft als solche, die keine eigene Rechts- und Parteifähigkeit hat (siehe hierzu oben Rdn 16). Zur Antragsformulierung vgl. unten Rdn 23 und Rdn 43.
Rz. 20
Auch wenn ein Erbe Nachlassforderungen gegen einen Miterben geltend macht, muss der Antrag auf Leistung an sämtliche Miterben lauten, unabhängig davon, ob alle Miterben am Prozess beteiligt sind (hierzu das nachfolgende Formulierungsbeispiel, siehe Rdn 23). Der klagende Miterbe kann insbesondere nicht etwa lediglich die Forderung in Höhe seiner eigenen Erbquote geltend machen und Zahlung an sich verlangen. Zwar bleibt es ihm unbenommen, eine Teilklage zu erheben; auch dann muss der Klageantrag jedoch auf Leistung an sämtliche Miterben gemeinsam gestellt werden. Andernfalls würde es sich um eine eigenmächtige und unzulässige Teilauseinandersetzung des Nachlasses handeln, die wegen fehlender Teilungsreife unbegründet wäre (siehe auch Rdn 31 ff.). Auch wenn neben dem fordernden Miterben lediglich noch ein weiterer Miterbe vorhanden ist, muss auf Leistung an die in Erbengemeinschaft verbundenen Miterben geklagt werden.
Rz. 21
Etwas anderes gilt, wenn es sich um den letzten Aktivposten des Nachlasses handelt und durch die Erfüllung die Auseinandersetzung letztlich vollzogen wird. Daneben können die übrigen Miterben im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mehrheitlich der Einziehung eines Anspruches zustimmen sowie einstimmig den fordernden bzw. klagenden Miterben ermächtigen. Der so ermächtigte Erbe macht dann eine Leistung im eigenen Namen geltend und fordert Leistung an sich.
Rz. 22
Der einzelne Miterbe klagt in eigenem Namen in gesetzlicher Prozessstandschaft und nicht als Vertreter der anderen Erben: § 2039 BGB gewährt kein Vertretungsrecht.
Ist der Miterbe selbst Gläubiger einer Forderung gegen die Erbengemeinschaft, hat er die Wahl zwischen der Gesamthand- und der Gesamtschuldklage (zu den Unterschieden vgl. nachfolgend Rdn 26). Im Rahmen der Gesamtschuldklage nach § 2058 BGB würde der Miterbengläubiger die Forderung vermindert um seine eigenen Erbquoten gegen die übrigen Miterben geltend machen. Klagt er hingegen im Rahmen der Gesamthandklage nach § 2059 ...