§ 9 Erbscheinsverfahren, Prozessführung und Zwangsvollst ... / II. Mandant ist Gläubiger einer Erbengemeinschaft oder eines Miterben

1. Überblick

Rz. 47

Ist der Mandant Gläubiger einer gegen eine Erbengemeinschaft gerichteten Forderung, muss das Ziel der anwaltlichen Tätigkeit sein, einerseits Zugriff auf den gesamten Nachlass zu erhalten, andererseits aber auch auf das Eigenvermögen der Miterben (zu Einzelheiten siehe auch § 6 Rdn 242 ff.).

Rz. 48

Für eine Zwangsvollstreckung in den ungeteilten Nachlass sind gem. § 747 ZPO alle Miterben gleichlautend zu verurteilen. Es muss ein Titel gegen alle Erben vorliegen. Über den Wortlaut des § 747 ZPO hinaus ("Urteil") sind auch sonstige Titel (Vollstreckungsbescheid, vollstreckbare Urkunde) ausreichend.^[128] Es ist – weiter als § 747 ZPO normiert – nicht erforderlich, dass tatsächlich nur "ein" Titel vorliegt: Die Verurteilung muss nicht notwendig in einem Prozess erfolgen, sie kann auch in mehreren getrennten Verfahren erwirkt werden.^[129] Es können auch mehrere Titel unterschiedlicher Art vorliegen.^[130] Die übrigen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (Klausel, Zustellung) müssen zum Zeitpunkt der Pfändung gegen alle Erben vorliegen.^[131] Die Zwangsvollstreckung erfolgt durch Pfändung von Nachlassgegenständen oder Pfändung sämtlicher Miterbenanteile (Gesamthandvollstreckung).^[132]

Rz. 49

Sind nur einzelne Miterben bekannt oder/und liegen nur Titel gegen einzelne Miterben vor, kann der Gläubiger nur gem. § 859 ZPO vollstrecken (Gesamtschuldvollstreckung). Gegenstand der Pfändung ist der Erbteil als Inbegriff der Rechte und Pflichten des einzelnen Miterben am gesamten Nachlass^[133] (im Einzelnen siehe Rdn 52; zur Pfändung des Anspruches auf Auskehr des Reinertrages siehe Rdn 60).

Rz. 50

Jeder Miterbe – auch der verurteilte –, der sich gegen eine Vollstreckung wehren will, da kein Titel gegen alle Miterben vorliegt, kann im Wege der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO oder der sofortigen Beschwerde gem. § 793 ZPO vorgehen.^[134] Der nicht verurteilte Miterbe, gegen den vollstreckt wird, kann sich auch im Rahmen der Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO wehren.^[135]

Rz. 51

Sobald der Nachlass geteilt ist, sind Nachlassvermögen und Eigenvermögen der Erben grundsätzlich keine getrennten Vermögensmassen mehr und die Vollstreckung ist uneingeschränkt möglich. Haben die Miterben jedoch die Haftung auf den Nachlass beschränkt, bleibt es bei der Trennung der Vermögensmassen und den eben dargestellten Vollstreckungsmöglichkeiten.

[128] BGH, Urt. v. 5.12.1969 – V ZR 159/66, NJW 1970, 473 (obiter dictum); Zöller/Seibel, § 747 Rn 5.

[129] RG, Urt. v. 28.3.1908 – V 348/07, RGZ 68, 221, 222 f; OLG Hamm, Urt. v. 27.10.2016 – I-10 U 61/07, Rn 127, juris.

[130] BGH, Urt. v. 5.12.1969 – V ZR 159/66, Rn 24, juris.

[131] Zöller/Seibel, § 747 Rn 5.

[132] Behr, ZAP Fach 14, S. 44.

[133] So bereits RG, Urt. v. 28.3.1908 – V 348/07, RGZ 68, 221, 222 f.

[134] Zöller/Seibel, § 747 Rn 8.

[135] Zöller/Seibel, § 747 Rn 8.

2. Anteil eines Miterben/Anspruch auf Auseinandersetzung

Rz. 52

Der Anspruch eines Miterben auf Auseinandersetzung ist für sich gesehen nicht pfändbar, würde aber ohnedies keinen Vermögenswert besitzen. Pfändbar ist jedoch gem. § 859 S. 1 ZPO der Anteil des Miterben an der Erbengemeinschaft. Der Anteil am einzelnen Nachlassgegenstand ist hingegen nicht pfändbar, § 859 S. 2 ZPO. Testamentsvollstreckung oder Nachlassverwaltung hindern eine Pfändung nicht.^[136]

Rz. 53

Nach Pfändung und Überweisung (hierzu das nachfolgende Muster eines Antrages auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, siehe Rdn 57) kann der Pfändungsgläubiger dann seinerseits die Rechte des Miterben auf Auseinandersetzung der Gemeinschaft gem. § 2042 Abs. 1 BGB geltend machen sowie die Teilungsversteigerung gem. §§ 180, 181 Abs. 2 S. 1, letzte Alt. ZVG beantragen^[137] und somit den Anteil verwerten.^[138] Der Pfändungsgläubiger kann hingegen nicht den Erbteil auf einen Dritten übertragen; hierzu bedarf es einer gesonderten Ermächtigung durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts, §§ 859 Abs. 2, 857 Abs. 5 ZPO.^[139] Zu pfänden ist der Miterbenanteil als Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO (mit § 829 ZPO), auch wenn zum Nachlass Grundstücke gehören.^[140]

Rz. 54

Trotz Pfändung des Miterbenanteils kann der Miterbe weiterhin die Erbschaft ausschlagen.^[141] Der Gläubiger ist dann nicht zur Anfechtung berechtigt. Eine vor der Ausschlagung erfolgte Pfändung wird unwirksam, denn der an die Stelle des Ausschlagenden tretende Erbe ist nicht Rechtsnachfolger des Schuldners, sondern (Ersatz-)Erbe des Erblassers.^[142]

Rz. 55

Drittschuldner der Pfändung sind die übrigen Miterben.^[143] Unbekannte Miterben werden durch den Nachlasspfleger vertreten.^[144] Der Testamentsvollstrecker, dem die Nachlassverwaltung obliegt,^[145] sowie der Nachlassverwalter oder -pfleger sind ebenfalls Drittschuldner. Ihnen ist somit auch der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zuzustellen. Sind mehrere Miterben vorhanden, wird die Pfändung mit der Zustellung an alle bewirkt und – erst – mit der Zustellung an den letzten wirksam.^[146]

Rz. 56

Neben dem Miterbenanteil besteht kein selbstständiger Anspruch auf ein künftiges Auseinandersetzungsguthaben al...