Rz. 332

Daneben kommen aber durchaus auch Rentenzahlungen in Betracht. Um ihren Zweck zu erreichen, dem Geschädigten einen Ausgleich für die immer wieder neu empfundene Beeinträchtigung zu gewähren, muss die Rente einen monatlichen Betrag von 50 EUR deutlich überschreiten. Da die Schmerzensgeldrente nicht durch Koppelung an den Lebenshaltungskostenindex dynamisch ausgestaltet werden darf (BGH VersR 1973, 1087), weist sie bei hoher Inflationsrate einen deutlichen Nachteil auf.

 

Rz. 333

Die Forderung einer Schmerzensgeldrente kann in Regulierungsverhandlungen den Haftpflichtversicherer zu einem für den Geschädigten günstigen Vergleichsabschluss bewegen: Der Versicherer ist an einem endgültigen Abschluss der Regulierung interessiert und wird für den Ausschluss der Rentengewährung eine höhere Kapitalzahlung erbringen.

 

Rz. 334

 

Tipp

Der beratende Anwalt hat bei der Klärung, ob eine in Kapital und Rente aufgespaltene Schmerzensgeldzahlung begehrt werden soll, erhebliche Beratungsleistungen zu erbringen. Insbesondere sollte er auch die Möglichkeit einer Abänderungsklage bezüglich des Rentenbezuges erörtern.

 

Rz. 335

Wegen des Ausnahmecharakters ist eine Rente aber nur dann denkbar, wenn lebenslange und schwere Dauerschäden gegeben sind, die bei dem Verletzten immer wieder aufs Neue schmerzliche Empfindungen auslösen, ihn also immer wieder schmerzhaft die konkrete Situation seiner Behinderung erleben lassen (BGH MDR 1976, 1012; OLG Frankfurt VersR 1992, 621; OLG Hamm zfs 2005, 122 ff.; LG Hildesheim zfs 2002, 219 ff.). Eine Schmerzensgeldrente sollte – neben einem auf alle Fälle zuzubilligenden Kapitalbetrag – erst ab einer Dauer-MdE von 40 % in Betracht gezogen werden.

 

Rz. 336

Voraussetzung ist also, dass der Verletzte die Rente als Genugtuung überhaupt empfinden kann. Das ist demzufolge bei Querschnittsgelähmten oder ähnlich schwer Verletzten der Fall, nicht aber bei schwer Hirngeschädigten, die nicht dauernd und immer wieder fühlbar unter den Verletzungsfolgen leiden.

 

Rz. 337

Ein Rentenanspruch lässt sich auch nicht aus Sorge vor drohender Geldentwertung rechtfertigen. Sie kann aber denkbar sein, wenn z.B. bei einem Minderjährigen wegen der angespannten Finanzsituation der Eltern die Sorge besteht, dass er nicht mehr in den Genuss des Kapitals kommen wird (OLG Frankfurt DAR 1956, 188) oder der Verletzte wegen eines geistigen Defektes mit einem großen Kapitalbetrag verschwenderisch umgehen könnte.

 

Rz. 338

Kapital und Rente müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Sofern eine Schmerzensgeldrente gezahlt wird, reduziert sich insoweit der Kapitalbetrag. Der sich bei einer Kapitalisierung der Rente ergebende Betrag zuzüglich Kapitalentschädigung soll grundsätzlich den Betrag nicht übersteigen, der für vergleichbare Verletzungen sonst üblicherweise in Betracht kommt (BGH DAR 1976, 244). Bei einer derartigen Gesamtentschädigung aus Schmerzensgeldkapital und Schmerzensgeldrente muss der monatliche Rentenbetrag so bemessen sein, dass er – kapitalisiert – zusammen mit dem zuerkannten Kapitalbetrag einen Gesamtbetrag ergibt, der in seiner Größenordnung einem ausschließlich in Kapitalform zuerkannten Betrag zumindest annähernd entspricht (BGH VersR 1976, 967 ff.; OLG Düsseldorf VersR 1997, 65 ff.; OLG Hamm zfs 2005, 122 ff.).

 

Rz. 339

Schmerzensgeldrenten unterliegen nicht der Einkommensteuerpflicht (BFH DB 1995, 19). Sie sind grundsätzlich dann nach § 323 ZPO abänderbar, wenn die allgemeine gesellschaftliche und soziale Bewertungssituation sich so stark geändert hat, dass die bisherige Rente nicht mehr als angemessen angesehen werden kann.

 

Rz. 340

Fraglich ist allerdings, ob auch ein Anstieg des Lebenshaltungskostenindexes Auslöser für eine Abänderung der Schmerzensgeldrente nach Maßgabe des § 323 ZPO sein kann.

 

Rz. 341

Dies wurde in der Vergangenheit teilweise bejaht (z.B. OLG Nürnberg VersR 1992, 623; MüKo-BGB/Oetker, a.a.O.; Halm/Scheffler, DAR 2004, 71, 76), teilweise verneint (z.B. OLG Düsseldorf, zfs 1986, 5; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn 301; Diehl, zfs 2002, 431).

 

Rz. 342

Die ablehnende Ansicht stützte sich u.a. auf das Urteil des BGH (VersR 1973, 1067, 1068), in dem ausgeführt ist, eine "dynamische" Schmerzensgeldrente durch Koppelung mit dem amtlichen Lebenshaltungskostenindex könne schon deshalb nicht zugebilligt werden, weil sie die Funktion der Rente als eines billigen Ausgleichs in Geld nicht zu gewährleisten vermöge; die Koppelung der Schmerzensgeldrente an die Werte des Lebenshaltungsindexes sei als untaugliches Mittel dafür zu erachten, dieser Rente im Zuge der künftigen Währungsentwicklung den Charakter der gesetzlich vorgesehenen "billigen Entschädigung in Geld" zu erhalten, weil Vermögenswerte einerseits und der Wert von Gesundheit und seelischem Wohlbefinden andererseits ihrer Natur nach von vornherein inkommensurabel seien.

 

Rz. 343

Die Erwägungen, die für die Ablehnung einer von "vornherein dynamisierten" Schmerzensgeldrente sprechen, sind nicht unmittelbar auf die Fra...

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