Rz. 352

Alle unfallbedingten und ständig wiederkehrenden Aufwendungen, die den Zweck haben, die Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigungen seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (Definition gem. BGH VersR 1974, 162), nennt man "vermehrte Bedürfnisse". Sie sind geregelt in § 843 Abs. 1 BGB. Sie sind Ausfluss des Anspruchs des Verletzten auf Wiederherstellung seiner körperlichen Integrität. Er ist so zu stellen, wie er ohne den Unfall stehen würde. Der ersatzfähige Aufwand zur Befriedigung vermehrter Bedürfnisse bestimmt sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde, ohne dass eine Obergrenze existiert (BGH v. 28.8.2018 – VI ZR 518/16 – VersR 2019, 51; OLG Celle VersR 2019, 1157). Davon abzugrenzen sind die normalen Lebenshaltungskosten, die unfallunabhängig ohnehin entstanden wären. Diese können sich sogar als ersparte Aufwendungen anspruchsmindernd auswirken (z.B. die 10,00 EUR Krankenhauspauschale pro Tag stationären Aufenthalts = vermehrte Bedürfnisse – im Verhältnis zu ersparter häuslicher Verpflegung in mindestens gleicher Höhe – siehe auch unten Rdn 424).

 

Rz. 353

Voraussetzung ist stets, dass der Mehrbedarfsschaden konkret und nachvollziehbar dargelegt und unter Beweis gestellt wird. Das gilt insbesondere dann, wenn er unentgeltlich von anderen, z.B. Familienangehörigen, erbracht wird. Über solche Leistungen sollte daher sehr genau Buch geführt werden.

 

Rz. 354

Es ist immer wieder festzustellen, dass Versicherer im Rahmen der Regulierungsverhandlungen den Nachweis der Anschaffung für Hilfsmittel in Form von Belegen und Quittungen verlangen. Dazu besteht keinerlei rechtliche Veranlassung. Der Anspruch auf Ersatz vermehrter Bedürfnisse entsteht unmittelbar mit dem Eintritt der Bedürfnisse und nicht erst mit der Anschaffung (BGH NJW 1970, 1411). Somit muss das entsprechende Hilfsmittel gar nicht konkret angeschafft werden. Der Geschädigte kann darauf verzichten, sich also anderweitig behelfen und stattdessen den zur Anschaffung erforderlichen Geldbetrag verlangen.

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