Rz. 278

Die Beweislast liegt beim Geschädigten. Er muss, bevor die Beweismaßsenkung der haftungsausfüllenden Kausalität des § 287 ZPO zugunsten des Geschädigten eingreift, also zunächst einmal die Grundvoraussetzungen eines eingetretenen HWS-Traumas (haftungsbegründende Kausalität) beweisen. Er muss dazu gem. § 286 ZPO die Tatsachen und Kausalverläufe zum Haftungsgrund, die "haftungsbegründende Kausalität", so umfassend darlegen und beweisen, dass das Gericht von dem Eintritt der Verletzung überzeugt ist (hierzu auch OLG Karlsruhe DAR 2001, 509). Besonders unerfreulich ist dies für den Geschädigten vor dem Hintergrund des jüngst vom BGH bestätigten Umstandes, wonach dann, wenn dieser Nachweis nicht gelingt, auch Behandlungskosten für Kontrolluntersuchungen nach einem Unfall nicht zu erstatten sind (BGH v. 17.9.2013 – VI ZR 95/13 – VersR 2013, 1406), vgl. dazu unten Rdn 392.

 

Rz. 279

Jedoch reicht der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Auftreten von Beschwerden allein nicht aus (OLG Hamm r+s 2000, 154; LG Berlin zfs 2001, 108). Es müssen noch weitere Umstände hinzukommen, z.B. die Intensität des Aufpralls oder die ärztliche Feststellung von pathologischer Muskelverspannung in der Nackenregion mit Einschränkung der HWS-Beweglichkeit bei der Beugung und Rotation (AG Ludwigshafen zfs 2001, 452).

 

Rz. 280

Die Schwierigkeit liegt in der Problematik des objektiven Nachweises eines HWS-Traumas, das nur selten objektiv diagnostizierbar ist. Die Mediziner sind – insbesondere bei den leichten HWS-Traumata – oft ausschließlich auf die Angaben des Geschädigten angewiesen bzw. sie verzichten einfach auf weitergehende Diagnostik.

 

Rz. 281

Deshalb ist eine ärztliche Diagnose nicht immer relevant (OLG Hamm NZV 2001, 468). Die Bewertung eines solchen Attestes hängt im Rahmen der Beweiswürdigung vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Beruht die ärztliche Diagnose eines HWS-Traumas nämlich allein auf den vom Arzt für glaubhaft gehaltenen Angaben des Geschädigten, nicht aber auf der Erhebung eigener Anknüpfungs- und Befundtatsachen, ist die Diagnose als Beleg für die behauptete Körperverletzung wertlos (AG Biedenkopf zfs 1998, 375; a.A. AG Hanau zfs 1998, 376).

 

Rz. 282

Wenn jedoch ein Arzt eine Schanz’sche Krawatte, Massagen und Fangopackungen verordnet oder einen "Hartspann der Halsmuskeln" bzw. "deutliche Muskelverhärtungen" (AG Lingen zfs 2001, 406) festgestellt hat, dann muss von einer unfallbedingten HWS-Verletzung ausgegangen werden (LG Limburg zfs 2002, 19; LG Lübeck zfs 2000, 436). Das gilt auch bei ärztlicher Diagnose "HWS-Distorsion" und Verordnung verschreibungspflichtiger Medikamente (OLG Bamberg DAR 2001, 121 = NZV 2001, 470).

 

Rz. 283

Allein der behandelnde Arzt kann etwas über die von ihm getroffenen Feststellungen sagen. Wenn er dann sogar solche Therapien verordnet, dann verbietet es sich, später im Prozess mit irgendwelchen Gutachten oder Untersuchungen zu argumentieren, die mit dem konkret zu beurteilenden Fall nichts zu tun haben und deren Untersuchungsanordnung unbekannt ist.

 

Rz. 284

Die durch ein ärztliches Attest und darüber hinaus durch überzeugende Bekundungen des behandelnden Arztes festgestellte Verletzung wird daher in der Regel nicht durch ein Kfz-technisches Gutachten erschüttert. Aus medizinischer und biomechanischer Sicht gibt es keine gesicherten traumatotechnischen Grenzwerte, unterhalb derer Verletzungen an der HWS ausgeschlossen werden können (LG Bonn DAR 2003, 72; AG Bremen DAR 2003, 76 ff.).

 

Rz. 285

Solche Untersuchungen basieren nämlich oftmals auf Tests mit Freiwilligen. Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen können aber nicht ohne weiteres auf den Realunfall übertragen werden, weil Freiwillige mit dem Aufprall rechnen und eine muskulöse Reaktion auf die Kollision kontrollieren können (LG Limburg zfs 2002, 19).

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