Rz. 604
In den ersten sechs Wochen findet bekanntlich die Lohn- und Gehaltsfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 3 EFZG) vom 1.6.1994 statt. Der geschädigte Arbeitnehmer hat in dieser Zeit keinen eigenen Schadensersatzanspruch im Hinblick auf den Erwerbsschaden, mit Ausnahme des Ersatzes von Nebeneinkünften, die nicht dem EFZG unterliegen. Der Schadensersatzanspruch geht nämlich nach § 6 EFZG kraft Gesetzes auf den Arbeitgeber über.
Rz. 605
§ 6 EFZG sieht zwar vor, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatz seines Erwerbsschadens "insoweit" auf den Arbeitgeber übergeht, als dieser die Entgeltfortzahlung vornimmt. Dies bedeutet jedoch keinen Automatismus zwischen Entgeltfortzahlung und Regress.
Rz. 606
Da es sich um eine – gesetzliche – Abtretung handelt, behält der Schädiger sämtliche Einwendungen, die er dem Arbeitnehmer selbst entgegenhalten konnte, auch gegenüber dem Arbeitgeber. Dies bezieht sich nicht lediglich auf die Haftung dem Grunde, sondern auch der Höhe nach: So muss sich der Arbeitgeber etwa anrechenbare Vorteile, die dem Arbeitnehmer aus dem Unfallereignis entstanden sind, abziehen lassen. Es können dies beispielsweise ersparte Fahrtkosten, Bekleidungskosten oder sonstige Spesen sein (Vorteilsausgleichung, BGH NJW 1980, 1787).
Rz. 607
Hinsichtlich der Fahrtkosten ist aber zu beachten, dass es gerade bei erheblichen Fahrtkosten, etwa bei Berufspendlern ("Pendlerpauschale"), durch die Steuerrückvergütungen mit dem Steuerbescheid vorkommen kann, dass Fahrtkosten tatsächlich gar nicht "erspart" werden, da die Rückvergütung umso kleiner ausfällt, je geringer die jährliche Kilometerleistung ist. Regelmäßig geschieht es also, dass der Arbeitgeber nicht erhält, was er an Lohnkosten ausgegeben hat. Auch sind verringerte Abzüge zu berücksichtigen, wenn der verletzte Arbeitnehmer vor dem Unfall an einer Fahrgemeinschaft teilgenommen hatte. Je nach Anzahl der Teilnehmer der Fahrgemeinschaft ist der rechnerische Abzug entsprechend zu quotieren.
Rz. 608
Da der Anspruch erst mit Zahlung auf den Arbeitgeber übergeht, muss weiter beachtet werden, dass die verstrichene Zeit vor dem Forderungsübergang regelmäßig auch die Verjährungsfrist des Regressanspruches betrifft. Gefährlich kann es auch werden, wenn der Arbeitnehmer vor dem Forderungsübergang bereits Abfindungsvereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers schließt, da diese bei ungeschickter Formulierung (vgl. § 12 Rdn 6 ff.) auch die Regressforderung beschneiden (OLG München zfs 1987, 364).
Rz. 609
Der Arbeitnehmer ist im Übrigen durch § 6 Abs. 3 EFZG gegenüber seinem Arbeitgeber privilegiert: Durch das hier normierte Quotenvorrecht zu seinen Gunsten kann er auch bei eigener Mithaftung verlangen, dass aus der Haftungsmasse zunächst sein Erwerbsschaden vollständig beglichen wird, auch soweit er über das hinausgeht, was als Entgeltfortzahlung ohnehin erbracht wird, bevor der Arbeitgeber daran gehen kann, restliche Beträge zu regressieren (Beispiel hierzu: Küppersbusch/Höher, Rn 111; vgl. auch § 6 Rdn 42).
Rz. 610
Um das hieraus resultierende wirtschaftliche Risiko für kleinere Betriebe abzufangen, garantiert § 11 EFZG diesen eine Erstattung der geleisteten Entgeltfortzahlungen zu 80 % durch die zuständige Krankenkasse, Zug um Zug gegen Abtretung des Regressanspruches.
Rz. 611
Der Rechtsanwalt, der mit der Durchsetzung eines Entgeltfortzahlungsregresses betraut werden soll, muss jedenfalls seinen Auftraggeber darüber aufklären, dass – anders als bei Vertretung des Geschädigten selbst – die entstehenden Anwaltskosten nur dann vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer zu tragen sind, wenn dieser sich bereits in Verzug befindet oder anwaltliche Tätigkeit noch nach der Inverzugsetzung entfaltet wird.