I. Allgemeines
Rz. 24
Schmerzensgeld ist der Anspruch eines Verletzten auf eine "billige Entschädigung in Geld" (§ 253 BGB).
Rz. 25
Seit dem 1.8.2002 wird Schmerzensgeld nicht mehr nur auf der Grundlage deliktischer Haftung gewährt, sondern auch dann, wenn auf anderer rechtlicher Grundlage – insbesondere der Gefährdungshaftung des § 7 StVG oder bei vertraglichen Ansprüchen – wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist.
Rz. 26
Für den Bereich des Straßenverkehrsrechts wiederholt § 11 Abs. 2 StVG im Bereich der Gefährdungshaftung für die Fälle der Verletzung von Körper und Gesundheit den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens. Nachfolgend werden zunächst die allgemeinen Voraussetzungen dargestellt, die bei der Schmerzensgeldregulierung von Bedeutung sind.
1. Anspruchsvoraussetzung
Rz. 27
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld setzte früher gem. §§ 823 ff. i.V.m. § 847 BGB ein deliktisches und damit i.d.R. ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers voraus. Schuldhaft konnte allerdings nur der Fahrer eines Fahrzeuges, nie der Halter, handeln, es sei denn, der Halter haftete als Geschäftsherr i.S.d. § 831 BGB. Deshalb konnte früher der Halter eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich nicht auf Zahlung von Schmerzensgeld mitverklagt werden.
Rz. 28
Ein Schmerzensgeld (vgl. auch Heß, zfs 2001, 532 f.) soll Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens ausgleichen, d.h. einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist. Es ersetzt also nur den immateriellen Schaden.
§ 253 BGB lautet:
Zitat
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangt werden.
Rz. 29
Die Vorschrift des § 253 BGB bedeutet zweierlei:
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Erstens verdeutlicht die Streichung des § 847 BGB a.F. und die im Wortlaut erweiterte Aufnahme dieser Vorschrift in § 253 Abs. 2 BGB: Es besteht ein Schmerzensgeldanspruch nicht mehr nur auf der Grundlage deliktischer Haftung nach §§ 823 ff. BGB, sondern auch dann, wenn auf anderer rechtlicher Grundlage, z.B. auf vertraglicher oder auch aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB (c.i.c.), "wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten" ist (§ 253 Abs. 2 BGB). |
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Zweitens hat die unverändert gebliebene Aussage des § 253 BGB a.F. (jetzt Abs. 1) als Ausnahme vom Grundsatz des lediglich materiellen Schadensersatzes dadurch größere Relevanz erlangt, dass die Zahl der gesetzlichen Ausnahmen gestiegen ist, die einen Ersatz des immateriellen Schadens vorsehen (neben § 11 S. 2 StVG z.B. auch § 6 S. 2 HaftpflG, § 36 S. 2 LuftVG, § 32 Abs. 5 S. 2 GenTG). Die für das Verkehrszivilrecht bedeutsame Erweiterung der Gefährdungshaftung auch auf Schmerzensgeld findet sich in § 11 S. 2 StVG, welcher eine billige Entschädigung in Geld auch wegen des Schadens gewährt, der nicht Vermögensschaden ist. |
Rz. 30
Anmerkung
Zu § 11 S. 2 StVG, wie auch zu den entsprechenden neuen Schmerzensgeldregelungen in den anderen Fällen der speziellen Gefährdungshaftung, wird die Auffassung vertreten, sie würden nur das klarstellen, was durch § 253 Abs. 2 BGB ohnehin zum Ausdruck komme: Dass bei der Verletzung der dort genannten Rechtsgüter ein Schmerzensgeldanspruch auch aus Gefährdungshaftung gegeben sei (Wagner, Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, NJW 2002, 2049, 2053). Dies ist jedoch zweifelhaft, da § 11 S. 2 StVG sich offenbar auf seinen S. 1 bezieht, der lediglich von der Verletzung des Körpers und der Gesundheit spricht, nicht dagegen von der Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung. Dies spricht dafür, dass § 11 S. 2 StVG eine gegenüber § 253 Abs. 2 BGB spezielle Vorschrift ist und keine bloße Klarstellung, zumal sich § 11 StVG auf die Haftung aus § 7 StVG bezieht mit den sich z.B. aus § 12 StVG ergebenden Haftungs(umfangs)beschränkungen. Nicht völlig aus der Luft gegriffen ist daher der Fall, dass jemand durch einen Autounfall in seinem Pkw ohne Verschulden des Unfallgegners stundenlang eingeschlossen ist, diese Freiheitsverletzung aber nicht über § 11 S. 1 u. 2 StVG durch Schmerzensgeld ausgeglichen wird. Ob in diesem Fall ein Rückgriff auf die allgemeine Regel des § 253 Abs. 2 BGB möglich ist, ist fraglich!
Rz. 31
Der Vorteil der neuen Haftung auf Schmerzensgeld auch auf vertraglicher Grundlage liegt dabei insbesondere darin, dass sich der Halter auch für eingesetzte Gehilfen nicht mehr entlasten kann, da § 278 BGB anwendbar ist.
Rz. 32
Geht es um Schmerzensgeldansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls, hat die Frage, ob der Unfallgegner den Unfall verschuldet hat oder ob er sich nur nicht entlasten kann und deshalb nur aus der Betriebsgefahr haftet, allenfalls Bedeutung für die Schme...