Rz. 359

Benötigt der Geschädigte – z.B. als Querschnittsgelähmter – verletzungsbedingt die Ausstattung einer behindertengerechten Wohnung, so hat er Anspruch auf Zahlung aller damit verbundenen Kosten. Deren Höhe richtet sich zum einen nach der Erforderlichkeit und medizinischen Notwendigkeit, zum anderen aber auch nach der Angemessenheit. Ersparte Eigenaufwendungen und der "Sowiesobedarf" sind gegenzurechnen und abzusetzen.

 

Rz. 360

 

Tipp

Die Kosten für derartigen Mehrbedarf können nur durch einen für den Ausbau behindertengerechter Wohnungen spezialisierten Architekten oder Sachverständigen berechnet werden. Es macht keinen Sinn, über die Höhe derartiger Kosten lange mit der Assekuranz schriftlich zu korrespondieren.

 

Rz. 361

In jedem Falle steht ihm die Differenz zwischen der Miete einer "Normalwohnung" und einer "behindertengerechten Wohnung" zu.

 

Rz. 362

Derartige Kosten können naturgemäß mehrfach im Leben eines Geschädigten anfallen: Wegen Familienzuwachses ist eine neue, größere Wohnung erforderlich, das behindertengerechte Spezialfahrzeug muss im Rahmen des Üblichen gegen ein Neufahrzeug ausgetauscht werden.

 

Rz. 363

Der Geschädigte, dem derartiger Mehrbedarf im Rahmen vermehrter Bedürfnisse grundsätzlich im Rahmen einer Rente oder bedarfsorientierter wiederkehrender Leistungen zu erbringen ist, ist aber auch berechtigt, zum Ausgleich derartigen Mehrbedarfs die Zahlung eines Kapitalbetrages zu verlangen (OLG Stuttgart VersR 1998, 366). Dabei darf er vor allem diesen Mehrbedarf auch in der Weise befriedigen, dass er diesen Kapitalbetrag in das Haus seiner Eltern, die ihn betreuen, investiert. Für eine Kapitalabgeltung der vermehrten Bedürfnisse ist insbesondere dann Raum, wenn die einmalige Anschaffung eines Hilfsmittels das anhaltende vermehrte Bedürfnis ausreichend zu befriedigen in der Lage ist (BGH VersR 1982, 238).

 

Rz. 364

Das trifft zum einen für den ausstattungsbedingten Mehrbedarf zu, bei dem es sich um bauliche Einrichtungen (Aufzug, Verbreiterung der Türen, besondere sanitäre Ausstattungen) handelt.

 

Rz. 365

Zum andern gilt das für den flächenmäßigen Mehrbedarf, bei dem es dem Geschädigten nicht verwehrt ist, sich eine seiner Behinderung entsprechende Wohnung durch Ersatz eines einmalig aufzubringenden Kapitalbetrages zu beschaffen, statt über § 843 Abs. 1 BGB laufend den Betrag zu fordern, den er für die Anmietung eines seinen besonderen Verhältnissen genügenden Wohnraums über die Normalmiete hinaus aufwenden müsste (BGH VersR 1982, 138).

 

Rz. 366

Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Geschädigte vor dem Unfall bereits Eigentümer einer Immobilie war. Es kommt allein darauf an, ob es angesichts der konkreten Lebenssituation zweckmäßig und sinnvoll ist, dem Geschädigten die Geltendmachung seines Mehrbedarfs anhand der für ihn getroffenen Aufwendungen nach dem Rechtsgedanken eines "würdigen Schadensausgleichs" in einem Kapitalbetrag zu gestatten.

 

Rz. 367

Allerdings dürfen mit der Zubilligung eines Kapitalbetrages keinerlei Vorteile verbunden sein, die über den Zweck, ein dauerndes, auf die Lebenszeit des Verletzten begrenztes erhöhtes Bedürfnis zu befriedigen, hinausgehen. Als Vorteil ist es aber zu sehen, dass Immobiliareigentum begründet werden kann, das sogar über die Lebenszeit des Verletzten hinaus genutzt werden kann.

 

Rz. 368

Bezüglich der behindertengerechten Mehrausstattung kommt eine solche Korrektur nicht in Betracht, da sie keinen derartigen, über das Leben des Verletzten hinausgehenden Vorteil darstellt. Ganz im Gegenteil wird die Wohnung/das Haus nach dessen Tod auf die Normalnutzung zurückzubauen sein.

 

Rz. 369

Anders ist das allerdings bei der erforderlichen Mehrfläche zu sehen, die in jedem Falle vermögensmehrend verbleibt. Der diesbezügliche Anteil an der Kapitalabfindung ist angemessen zu kürzen, und zwar – gem. § 287 ZPO zu schätzen – vorschlagsweise mit 10 % (OLG Stuttgart VersR 1998, 366).

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