Rz. 498
Wie schon vorstehend (siehe Rdn 443) gesagt, kommt es darauf an, welche Arbeitsleistung die Hausfrau ohne den Unfall konkret, also tatsächlich erbracht hätte. Eine etwaige Mithilfeverpflichtung von Familienangehörigen kann demnach nur insoweit Berücksichtigung finden, wie diese Mithilfe vor dem Unfall auch tatsächlich erbracht wurde (BGH NJW 1974, 1651; OLG Stuttgart zfs 1983, 166). Unerheblich bleibt allein schon aus Rechtsgründen, inwieweit die übrigen Familienmitglieder zur Mitarbeit im Haushalt verpflichtet gewesen wären (BGH NZV 1997, 71).
Rz. 499
Beispiel
Wenn der Mann Fernfahrer oder Seemann ist, der oft wochenlang nicht nach Hause kommt, ist seine tatsächliche Mithilfemöglichkeit gleich Null, gleiches gilt für ein behindertes Kind.
Rz. 500
Es ist aber auch die Frage von Bedeutung, ob und inwieweit schon vor dem Unfall eine tatsächliche Haushaltshilfe eingestellt und tätig oder deren Einstellung beabsichtigt war. Sie mindert den tatsächlichen Arbeitszeitbedarf der verletzten Person entsprechend.
Rz. 501
Tipp
Wichtig ist, dass im Verletzungsfall kein Abzug der Eigenversorgung des Haushaltsführenden in Betracht kommt. Im Gegenteil können bei bestehender Pflegebedürftigkeit des Verletzten Zuschläge zur Arbeitszeit einer fiktiven Ersatzkraft aus dem Gesichtspunkt des unfallbedingten Mehrbedarfs gem. § 843 BGB vorzunehmen sein.
aa) Kosten einer Ersatzkraft
Rz. 502
Wird unfallbedingt eine Ersatzkraft eingestellt, sind deren Kosten konkret im nachgewiesenen Umfang – brutto, einschließlich sämtlicher Sozialabgaben und Arbeitgeberanteile – auszugleichen (OLG Köln VersR 1990, 1285; OLG Köln r+s 2015, 422). Voraussetzung ist, dass sie im tatsächlichen Umfang erforderlich und angemessen sind. Dies ist regelmäßig ein heftiger Streitpunkt in der Regulierungspraxis mit Versicherern. Die Angemessenheit richtet sich nach der Größe und Art des Haushaltes. Unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht darf die zu ersetzende Vergütung nicht höher sein als bei einer mit der verletzten (oder getöteten) Hausfrau vergleichbaren Ersatzkraft (LG Saarbrücken zfs 1997, 412, 414). Also vertreten Versicherer oftmals die Auffassung, der erforderliche Arbeitsaufwand sei mit weniger Stunden zu bewerkstelligen gewesen und außerdem sei der gezahlte Stundenlohn zu hoch. Das führt dann regelmäßig dazu, dass der Geschädigte, der ja wegen der Kosten der Ersatzkraft tatsächlich in Vorlage getreten ist, auf Geldbeträgen sitzen bleibt, die er dann wieder in kostenträchtigen und langwierigen Prozessen einklagen muss, oft nach eingeholten Sachverständigengutachten jedoch nur teilweise realisieren kann. Um dem Vorwurf des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht zu entgehen, sollten daher stets mehrere Angebote auf dem regionalen Markt eingeholt werden.
Rz. 503
Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte eine Ersatzkraft erst nach Abklärung mit dem gegnerischen Versicherer einstellen oder es ganz ihm überlassen, die Ersatzkraft auszuwählen, zu bestellen und zu bezahlen.
Tipp
Diese Kosten sind dem Gegenstandwert der anwaltlichen Tätigkeit auch dann hinzuzurechnen, wenn sie tatsächlich vom gegnerischen Versicherer bezahlt wurden. Denn der Anspruch entsteht ausschließlich in der Person des Geschädigten. Also sollte sich der Geschädigtenanwalt die Gesamtkosten vom gegnerischen Versicherer mitteilen lassen.
Rz. 504
Wenn eine konkrete Ersatzkraft allerdings nicht in vollem Umfang, sondern nur für eine geringere Zahl von Arbeitsstunden beschäftigt wird, als nach dem konkreten Arbeitszeitaufwand eigentlich erforderlich ist, dann verbleibt ein teilweise fiktiv zu errechnender Schaden, welcher der Höhe nach in der verbleibenden Zeitdifferenz besteht und gem. den nachfolgenden Ausführungen zu errechnen ist.
bb) Keine Einstellung einer Ersatzkraft
Rz. 505
Oft wird eine Ersatzkraft tatsächlich nicht eingestellt, und die Familie behilft sich durch unentgeltliches Zurückgreifen auf Großeltern, Nachbarn oder Freunde bzw. die übrigen Familienmitglieder leisten überobligationsmäßige Mehrarbeit im Haushalt, z.B. neben ihrem Beruf. Die verletzte Person kann durch überobligationsmäßige Anstrengungen ebenfalls selbst den Haushaltsführungsschaden auffangen. Das darf sich nicht zugunsten des Schädigers auswirken.
Rz. 506
Wird der Ausfall oder die Behinderung der Hausfrau durch Mehrarbeit der Familienmitglieder, unentgeltliche Hilfeleistungen Dritter oder überobligationsmäßige Anstrengungen des Verletzten aufgefangen, ist der Schaden fiktiv, besser: normativ zu berechnen. Anhaltspunkt für die Schadensschätzung im Rahmen des § 287 ZPO ist der Nettolohn einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft.
Rz. 507
Tipp
Versicherer tun oft so, als wüssten sie nichts von einer abstrakten Berechnung des Haushaltsführungsschadens, der für sie ja auch teuer werden kann. Sie verlangen dann immer wieder den Nachweis einer konkret eingestellten Ersatzkraft. Es genügt oft der bloße Hinweis darauf, dass der BGH immerhin schon seit 1979 (VersR 1979, 670; BGHZ 86, 372) normativ abrechnet und sich das auch bei der Versicherungswirtschaft herumges...