Rz. 401
Immer wieder gibt es Streit über den Ausgleich der Besuchskosten naher Angehöriger im Krankenhaus.
aa) Medizinische Notwendigkeit
Rz. 402
Alleiniges Bemessungskriterium ist die Frage der medizinischen Notwendigkeit derartiger Besuche im Hinblick auf den Heilungsprozess (BGH DAR 1991, 220). Diese Frage kann nur der Arzt beurteilen (OLG Hamm NZV 1993, 151), nicht der Versicherer des Schädigers.
Rz. 403
Tipp
Versicherer versuchen immer wieder, die Anzahl der für erforderlich gehaltenen Besuchsfahrten so weit wie möglich zu kürzen, oft mit Pauschalierungen wie: 1. Woche Krankenhaus = jeden Tag einmal; 2. Woche = alle zwei Tage; 3. Woche = einmal pro Woche, dann gar nicht mehr. Das ist so lange unzulässig, wie der Arzt die Notwendigkeit der Besuche im Heilungsinteresse des Patienten anders beurteilt. Daher: Stets den Krankenhausarzt anschreiben und sich diese Frage gesondert beantworten lassen. Das dadurch bedingte Arzthonorar hat der Schädiger zu ersetzen.
Rz. 404
Wichtig ist, dass es sich bei diesem Anspruch nicht etwa um einen mittelbaren Drittschaden handelt, sondern er dem Geschädigten unmittelbar selbst – als Heilbehandlungsmaßnahme – zusteht (BGH NJW 1979, 598). Die Anzahl der als erforderlich anzusehenden Besuche hängt u.a. von der Schwere der Verletzungen und dem Verwandtschaftsgrad des Besuchers ab. Eltern, Kinder, Ehepartner, Verlobte und Lebensgefährten (vgl. Rdn 414 ff.) haben also besondere Priorität, dann Geschwister und Großeltern.
Rz. 405
Auch ohne förmlichen Beweis kann die Anwesenheit des Ehepartners/Lebensgefährten am Krankenbett einer schwer verletzten Person als medizinisch notwendig indiziert angesehen werden, weil der psychische Beistand aus medizinischer Sicht einen wesentlichen Beitrag zur Rekonvaleszenz zu leisten pflegt (OLG Hamm DAR 1998, 317).
bb) Grundsätze der BGH-Rechtsprechung
Rz. 406
Der BGH (NZV 1991, 225 = VersR 1991, 559) hat diese Rechtsprechung später noch weiter konkretisiert und die Besuchskosten an folgende Voraussetzungen geknüpft:
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nur für nächste Angehörige, |
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nur bei stationärem Krankenhausaufenthalt, |
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nur bei medizinischer Notwendigkeit, Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens reicht nicht, |
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nur unvermeidbare Kosten. |
cc) Einzelne Positionen
Rz. 407
Hinsichtlich der Fahrtkosten ist stets die wirtschaftlichste Beförderungsart zu wählen. Bei der Benutzung des eigenen Kfz können nur die reinen Betriebskosten ersetzt verlangt werden, die z.B. der ADAC-Tabelle "Was kostet mein Pkw" entnommen werden können.
Rz. 408
Als Richtschnur können – je nach Größe des benutzten Pkw (ist also stets anzugeben) – die steuerlich anerkannten km-Sätze, d.h. bis zu 0,25 EUR angesetzt werden. In letzter Zeit werden vermehrt einheitlich 0,20 EUR angesetzt (OLG Schleswig und LG Dortmund zfs 1990, 259; OLG Hamm DAR 1994, 496; 1994, 496; 1997, 56; 1998, 317). Angesichts der Kostensteigerungen allein schon bei den Treibstoffen dürfte heute mindestens 0,30 EUR bis 0,40 EUR gerechtfertigt sein (vgl. § 8 Rdn 415).
Rz. 409
Übernachtungskosten sind nur ersetzbar, soweit sie sich zumutbar nicht vermeiden lassen.
Rz. 410
Verpflegungsaufwand ist ebenfalls nur in den engen Grenzen der Schadensminderungspflicht ersetzbar.
Rz. 411
Verdienstausfall ist nur insoweit zu ersetzen, als zeitliche Umdispositionen nicht möglich oder zumutbar waren. Die Rechtsprechung mutet in solchen Fällen im Rahmen des Machbaren Nacharbeit zu, z.B. bei Hausfrauen (BGH DAR 1991, 220).
Rz. 412
Kinderbeaufsichtigungskosten sind nur zu ersetzen, wenn sie konkret und nachweisbar angefallen sind. Wenn z.B. die Mutter aus Gründen medizinischer Notwendigkeit ganztägig und nachts bei ihrem Kind in der Klinik bleiben muss, zu Hause aber noch ein weiteres Kleinkind versorgt werden muss, kann es gerechtfertigt sein, dass sich der Vater hierfür unbezahlten Urlaub nimmt und den Verdienstentgang ersetzt verlangt, solange dieser die Kosten einer kommerziellen Kinderfrau (Maßstab wieder: TVÖD E.-Gr. 1 bis 5, je nach Haushaltsgröße und sozialem Standard) nicht übersteigt und eine anderweitige Versorgung des Kindes, z.B. durch Großeltern oder Verwandte, nicht realisierbar war.
Rz. 413
Der Zeitaufwand des Besuchenden ist nie ersetzbar. Ebenso gibt es in der Regel keinen Ersatz für Besuchsgeschenke. Allerdings kann es unter dem Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall gerechtfertigt sein, Blumen oder Bücher mitzubringen, um die allgemeine Lebensfreude wiederherzustellen oder von Zukunftsängsten abzulenken.
dd) Besuchskosten des nichtehelichen Lebenspartners
Rz. 414
Die Besuchskosten des Partners könnte der Verletzte als Teil der Heilungskosten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersetzt verlangen. Nach der h.M. sind die Besuche von nahen Angehörigen ersatzfähig, wenn sie zur Förderung der Heilung notwendig sind (siehe oben Rdn 404). Die Frage ist aber, ob ein "Lebenspartner" als "naher Angehöriger" anzusehen ist. Dies hängt davon ab, ob von einem familienrechtlichen Angehörigenverhältnis auszugehen ist (das sieht die Rechtsprechung nicht so) oder ob ein Näheverhältnis zum Verletzten ausreichend ist. Nach einer Entscheidung des LG Oldenburg (zfs 1989, 78) ist die Eigenschaft eines "na...