Rz. 693
In den meisten Fällen muss der Gewinnausfall fiktiv berechnet oder gar geschätzt werden (hierzu OLG Oldenburg zfs 1993, 263; OLG Köln zfs 1993, 261).
Rz. 694
Bei selbstständig Tätigen bedarf es zur Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe diese einen Verdienstausfall erlitten haben, der Prüfung, wie sich das Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (BGH VersR 1992, 973 u. 1993, 1284). Bei der danach erforderlichen Prognose der hypothetischen Geschäftsentwicklung kommen dem Geschädigten die Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach § 252 BGB, § 287 ZPO zugute (BGH DAR 1998, 232).
Rz. 695
Das ändert jedoch nichts daran, dass es der Darlegung konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte zur Überzeugung des Gerichtes beweisen muss (BGH VersR 1992, 973; 1993, 1284; 1995, 422). Allerdings dürfen an die Darlegung solcher Anknüpfungstatsachen für die Ermittlung des Erwerbsschadens keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden (BGH VersR 1992, 973; 1993, 1284; 1995, 422).
Rz. 696
Die Schwierigkeit besteht also in der "ausreichenden Substanziierung" des Vortrages. Die Prognose der Gewinnentwicklung fußt auf dem "gewöhnlichen Lauf der Dinge", und zwar auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und bisherigen beruflichen Situation des Geschädigten festgestellt werden kann (vgl. zu der Prognose der beruflichen Entwicklung des Geschädigten auch BGH DAR 1998, 349).
Rz. 697
Ergeben sich in derartigen Fällen keine Anhaltspunkte, die überwiegend für einen bestimmten Erfolg sprechen, so kann nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit ausgegangen werden. Auf dieser Basis ist sodann eine weitere Prognose hinsichtlich der entgangenen Einnahmen anzustellen und der Schaden gem. § 287 ZPO zu schätzen.
Rz. 698
Wichtig ist also: Der BGH stellt nicht mehr auf die Schätzung eines Mindestbetrages ab, sondern auf die Anknüpfung an einen durchschnittlichen Erfolg (BGH NJW 1998, 1633 = DAR 1998, 349).
Rz. 699
Dazu sind die bisherigen Gewinnunterlagen (Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuerbescheide usw.) heranzuziehen und auszuwerten. Dabei ist zu berücksichtigen, ob sich der Gewinn während der Ausfallzeit fortgesetzt oder vermindert bzw. erhöht hätte.
Rz. 700
Dazu kann auch auf Daten der Gewinnermittlung in der jeweiligen Branche, die von den jeweiligen Kammern (IHK, Handwerkskammer usw.) zu erhalten sind, bzw. statistische Durchschnittsdaten zurückgegriffen werden.
Rz. 701
Besonders schwer ist es im Falle eines Gewinnrückganges, die Ursachen zu ermitteln. Dabei ist eine Abgrenzung zwischen personenbezogenen Ursachen (z.B. vertrauensursächlicher Bezug zu einem Rechtsanwalt, Architekten oder Arzt) und konjunkturellen vorzunehmen, wenngleich auch nur schwer zu ermitteln.
Rz. 702
Unüberwindliche Probleme stellen sich, wenn sich der Betrieb noch in der Gründungsphase befand und Wirtschaftsdaten (noch) nicht zur Verfügung stehen.
Rz. 703
Oft ist der mögliche Vortrag zur Substanziierung der Anknüpfungstatsachen in derartigen Fällen der "gewinnbringenden Aufbauphase" naturgemäß sehr dürftig. Ein erwirtschafteter Rohgewinn lässt sich aufgrund solcher Angaben meist nicht errechnen.
Rz. 704
Dennoch kann sich ein Gericht dann nicht auf den Standpunkt stellen, ein ersatzpflichtiger Erwerbsschaden sei deshalb auch nicht ermittelbar. Auch hier ist vielmehr eine Prognose anzustellen, wie sich die Einkommensverhältnisse des Geschädigten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entwickelt hätten (BGH NJW 1998, 1634 = zfs 1998, 210). Hierbei muss berücksichtigt werden, dass bei einem jungen Menschen nicht ohne konkrete Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass er auf Dauer die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für eine gewinnbringende Erwerbstätigkeit nicht nutzen würde (BGH DAR 1997, 153).
Rz. 705
Auch hier ist also von einem durchschnittlichen Erfolg im Geschäftsleben auszugehen. Bei der Schätzung des hypothetischen Verdienstentgangs nach § 287 ZPO sind allerdings gewisse Abschläge wegen der allgemeinen Geschäftsrisiken zulässig.
Rz. 706
Bei der Geltendmachung von unfallbedingtem Verdienstausfall eines Selbstständigen dürfen allerdings die Anforderungen an die Darstellung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebes eines neu gegründeten Unternehmens nicht überspannt werden (BGH DAR 1993, 429).
Rz. 707
Tipp
Mit der Beurteilung und Berechnung dieser komplizierten Frage ist der Anwalt in der Regel sicher überfordert. Die Ermittlung des fiktiven Gewinns eines Selbstständigen gehört daher ausschließlich in die Hände von hierfür ausgebildeten Fachleuten, wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Der Anwalt sollte daher den Nachweis eines solchen Erwerbsschadens allein durch Sachverständigengutachten führen und sich darauf beschränken, die Einhaltung der juristischen Grundsätze des Schadensrechtes zu überwachen. Die Kosten hat der Schädiger zu tragen.
Rz. 708
Stellt sich bei der Schadensberechnung heraus, dass ...