Rz. 158

Der Begriff "Tabelle" ist eigentlich falsch. Es handelt sich immer nur um eine Rechtsprechungssammlung. Sie bildet lediglich Anhaltspunkte und einen Orientierungsrahmen zur Schätzung der Schmerzensgeldhöhe gem. § 287 ZPO.

 

Rz. 159

Für die außergerichtliche und gerichtliche Schmerzensgeldregulierung sind derartige "Tabellen" aber von unschätzbarem Wert. Allerdings lassen sich auch in ihnen nie völlig identische Verletzungsbilder finden. Daher können die darin genannten Entscheidungen wiederum ihrerseits nur als Orientierungshilfen dienen, einen angemessenen Schmerzensgeldbetrag zu ermitteln und Argumentationshilfen zu schaffen.

 

Rz. 160

Ob bei älteren Entscheidungen allein eine sich an der Geldentwertung orientierende Indexierung genügt, eine brauchbare Bewertung von vergleichbaren Fällen zu gewinnen, kann nur eingeschränkt bejaht werden. Damit würde nicht der Tendenz zur zusätzlichen Erhöhung von Schmerzensgeldbeträgen entsprochen.

 

Rz. 161

Als zusätzliche Fehlerquelle kommt bei Altentscheidungen in Betracht, dass damals die Gerichte noch irrig davon ausgingen, den von dem Schmerzensgeldkläger genannten Betrag nicht überschreiten zu dürfen. Die dem Richter eingeräumte Möglichkeit zur Überschreitung des als Mindestbetrag des Schmerzensgeldes angegebenen Antrages ist erst im Jahre 1996 durch den BGH klargestellt worden (BGH VersR 1996, 990; BGH VersR 1999, 902; v. Gerlach, VersR 2002, 525 ff.; Diehl, zfs 2007, 11). Es wäre daher zu begrüßen, wenn die Herausgeber von Schmerzensgeldtabellen ältere Entscheidungen nicht mehr aufführen würden, weil deren Aussagekraft für heutige Fallkonstellationen nur begrenzt ist.

 

Rz. 162

 

Tipp

Bei der Heranziehung von Vergleichsfällen zur Begründung von Schmerzensgeldforderungen, die älter als 10 Jahre sind, sollte sorgfältig deren Anpassung an Geldentwertung und geänderte Vorstellungen geprüft werden.

In den Computerversionen ermöglichen es die Tabellen sogar, ältere Entscheidungen nach dem Lebenshaltungsindex automatisch auf den heutigen Stand hochzurechnen und Entscheidungen mit Haftungsquoten der konkreten Quotierung und den Gegebenheiten des Falles anzupassen. Manuell erfolgt die Anpassung bei der Bezugsgröße 2015 = 100 wie folgt (aus: Hacks/Wellner/Häcker, 38. Auflage, S. 22):

 
Urteile aus den Jahren Faktor
1991 65,5
1992 68,8
1993 71,9
1994 73,8
1995 75,1
1996 76,1
1997 77,6
1998 78,3
1999 78,8
2000 79,9
2001 81,5
2002 82,6
2003 83,5
2004 84,9
2005 86,2
2006 87,6
2007 89,6
2008 91,9
2009 92,2
2010 93,2
2011 95,2
2012 97,1
2013 98,5
2014 99,5
2015 100
2016 100,5
2017 102
2018 103,8
2019 104,4

Quelle: Statistisches Bundesamt, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=61111–0001&startjahr=1991

 

Rz. 163

 

Beispiel

Urteil von 2002 über einen Schmerzensgeldbetrag von 15.000 EUR entspricht im Jahre 2009:

 
Schmerzensgeld × Faktor 2009
Faktor 2002
   
ergibt 15.000 × 92,2
82,6

= 16.743 EUR

 

Rz. 164

 

Tipp

Es ist ausgesprochen hilfreich, wenn der Anwalt vor einer Regulierungsbesprechung die laufenden Nummern der für ihn relevant erscheinenden Vergleichsurteile aus den Tabellen herausschreibt oder Ausdrucke aus den EDV-Tabellen erstellt. Ein Schadenregulierer der Versicherer ist in der Regel sehr gut vorbereitet. Es ist daher erforderlich, dass der Anwalt mindestens ebenso gut, wenn nicht sogar noch erheblich besser vorbereitet ist.

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