I. Überblick
Rz. 58
Bis zur WEG-Novelle 2007 war die Zwangsversteigerung keine sinnvolle Option für eine Gemeinschaft. Die Gemeinschaft konnte ihre Hausgeldforderungen gegen einen Wohnungseigentümer nur als dinglich nicht gesicherte "persönliche Ansprüche" in der Rangklasse 5 des § 10 Abs. 1 ZVG geltend machen. Bei der (nach der Reihenfolge der Rangklassen des § 10 Abs. 1 ZVG erfolgenden) Verteilung des Erlöses aus einer Zwangsversteigerung gingen die in Rangklasse 4 fallenden Rechte der dinglich gesicherten Gläubiger (meistens Banken) den Hausgeldforderungen somit im Rang vor. Weil eine Wohnung in den zur Zwangsversteigerung führenden Fällen i.d.R. überschuldet ist (d.h. dass die valutierenden Rechte der dinglichen Gläubiger den Verkehrswert übersteigen), blieb für die Gemeinschaft am Ende nichts übrig. Durch die WEG-Novelle 2007 wurde die Stellung der Gemeinschaft aber grundlegend verbessert. Hausgeldansprüche der letzten 2 Jahre fallen seitdem bis zur Höhe von 5 % des Verkehrswertes der zu versteigernden Wohnung in die Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Sie sind insofern gegenüber den Ansprüchen der Grundpfandgläubiger bevorrechtigt (privilegiert). Bei einer Versteigerung aus Rangklasse 2 (nur darum geht es im Folgenden) fallen nur noch die Kosten des Versteigerungsverfahrens und ein eventueller Anspruch der Gemeinschaft auf Ersatz der Ausgaben zur Erhaltung und Verbesserung des Wohnungseigentums (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG) in das geringste Gebot. Dieses ist daher so niedrig, dass es im Normalfall immer zu einer Versteigerung der Wohnung kommen wird, außer wenn die Forderungen abgelöst werden (→ § 9 Rdn 60). Eine Veräußerung des Wohnungseigentums nach Anordnung der Zwangsversteigerung steht der Versteigerung nicht entgegen (→ § 8 Rdn 43). Sollte sich ausnahmsweise einmal kein Erwerber für die Einheit finden, kann die Gemeinschaft sogar – bevor sie es zur Einstellung des Verfahrens kommen lässt – die betreffende Wohnung selbst ersteigern (→ § 6 Rdn 23). Weil bei der Erlösverteilung nur noch die Verfahrenskosten und eventuelle Erhaltungskosten den privilegierten Hausgeldrückständen vorgehen, kann die Gemeinschaft grundsätzlich deren Begleichung erwarten; allerdings nur, soweit die Außenstände nicht die 5 %-Verkehrswert-Grenze überschreiten. Nachteilig ist lediglich, dass die Gemeinschaft, wenn sie die Zwangsversteigerung beantragt, die Kosten des Versteigerungsverfahrens vorauszahlen muss. Ins Gewicht fallen dabei die Kosten für das gem. § 74a Abs. 5 ZVG einzuholende Verkehrswertgutachten, die im Normalfall um die 2.000,00 EUR betragen; vor dem Versteigerungstermin sind auch noch die Kosten der Veröffentlichung vorzuschießen, die erstaunlicher Weise mit regelmäßig über 1.000,00 EUR zu Buche schlagen.
Rz. 59
Praxistipp
Die Zwangsversteigerung ist eine grundsätzlich aussichtsreiche und daher empfehlenswerte Vollstreckungsmaßnahme. Bei vermieteter Wohnung empfiehlt sich die Kombination mit einem Antrag auf Zwangsverwaltung.
Rz. 60
Oft "erwacht" der Schuldner erst im Laufe des Versteigerungsverfahrens und bietet jetzt die Vollzahlung an, um die Gemeinschaft zur Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrags zu bewegen. Dann muss die WEG ihre Gesamtforderung beziffern, wozu auch die trotz Rücknahme des Versteigerungsantrags angefallenen bzw. verbleibenden Gerichtskosten gehören. Deren Höhe teilt das Amtsgericht auf eine entsprechende Anfrage hin i.d.R. problemlos mit. Mit dieser Information kann der WEG-Vertreter die Forderungsberechnung komplettieren und dem Schuldner die Rücknahme nach Vollzahlung anbieten. Manchmal tritt aber auch ein Dritter, insbesondere ein nachrangiger (Grundpfand-)Gläubiger an die Gemeinschaft mit dem Verlangen heran, deren privilegierte Forderungen (bis zur Höhe von 5 % des Verkehrswerts, denn nur insoweit erfolgt die Anordnung der Zwangsversteigerung aus Rangklasse 2) abzulösen, d.h. zu bezahlen. Das geschieht i.d.R. mit dem Ziel, die Versteigerung unter Wert zu verhindern und den Weg zur freihändigen Veräußerung freizumachen. Gegen eine (vollständige) Ablösung kann sich die Gemeinschaft leider trotz der nachteiligen Konsequenzen (dazu sogleich) nicht wehren. Wie bei der Zahlung durch den Schuldner ist die Ablösung aber nur vollständig, wenn sie auch die der Gemeinschaft entstandenen Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens umfasst. Hier erübrigt sich indes eine entsprechende Frage der WEG an das Amtsgericht, denn was die WEG an das Amtsgericht bezahlte, weiß sie selbst, und mehr ist vom Dritten nicht abzulösen. Sollten Kosten beim Amtsgericht angefallen, aber noch nicht abgerechnet worden sein, ist das für die WEG ohne Bedeutung, denn bezahlen muss später der "Ablöser". Durch die Ablösung geht die privilegierte Forderung der Gemeinschaft nämlich nicht unter, sondern gem. § 268 Abs. 3 S. 1 BGB auf den Ablösenden über, der dadurch in die (ehemalige) Rechtsstellung der Gemeinschaft in Rangklasse 2 einrückt. Anstatt das Verfahren zu Ende (bis zur Versteigerung) zu führen, kann der Ablösende es ein...