Rz. 103
Wenn die Wohnung vom Schuldner/Miteigentümer selbst genutzt wird, hat die Versorgungssperre regelmäßig zum Ziel, ihn aus der Wohnung zu "vertreiben". Wenn er angesichts des drohenden Verlusts der Wohnung nicht sogar doch noch Geld "auftreiben" kann (wie es sich in der Praxis manchmal herausstellt), hat die Versorgungssperre dann nämlich zumindest den Erfolg, dass der Schuldner nicht mehr auf Kosten der Gemeinschaft Heizung, Warm- und Kaltwasser beziehen und die gemeinschaftlichen Einrichtungen nutzen kann. Damit alleine ist der Gemeinschaft aber nicht genügend gedient. Vielmehr ist die Versorgungssperre vor allem in Kombination mit der Zwangsverwaltung sinnvoll. Sowie der Schuldner die Wohnung verlassen hat, kann die Zwangsverwaltung beantragt werden, wodurch die laufende Zahlung des Hausgelds sichergestellt wird. Auf dieser Kombination von Maßnahmen beruht auch der obige Beschlussvorschlag.
Rz. 104
Die Versorgungssperre ist auch dann zulässig, wenn die Wohnung vermietet ist. Ob sie auch sinnvoll ist, ist eine andere Frage: Im Normalfall ist nämlich die Kombination von Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung der erfolgversprechendste Weg zur Realisierung der Rückstände und laufenden Zahlungen. Nur in besonderen Fällen (z.B., wenn der Mieter im Haus stört oder seinerseits zahlungsunwillig ist oder wenn die realistische Aussicht auf Zahlung besteht) sollte über eine Versorgungssperre gegen den Mieter nachgedacht werden. Zuvor wird die Gemeinschaft auch eine Mietpfändung (d.h. die Pfändung der Ansprüche des Miteigentümers gegen seinen Mieter auf Zahlung von Miete) prüfen. Diese wird jedoch gerade in den "Problemfällen" häufig ins Leere gehen, weil die Ansprüche bereits von anderen Gläubigern gepfändet oder an diese schon im Voraus abgetreten sind; außerdem droht die Gefahr, dass sich die Gemeinschaft bei der Beitreibung und Verbuchung der Forderungen und Ausgaben "verheddert", wenn nach der Mietpfändung womöglich die gerichtliche Beitreibung und Zwangsvollstreckung der Miete nötig werden. Wenn die Gemeinschaft also (ohne den "Umweg" über die Zwangsverwaltung) auf den Mieter zugreifen möchte, sollte sie statt einer Mietpfändung versuchen, den Mieter unter Androhung der Versorgungssperre zu Zahlungen an die Gemeinschaft zu bewegen.
Rz. 105
Muster 9.14: Androhung einer Versorgungssperre gegenüber dem Mieter
Muster 9.14: Androhung einer Versorgungssperre gegenüber dem Mieter
Sehr geehrter Herr Mieter,
wir sind mit der Verwaltung nach dem Wohnungseigentumsgesetz des von Ihnen bewohnten Hauses betraut. Ihr Vermieter, Herr A, kommt seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nicht nach. Derzeit hat er gegenüber der WEG Verbindlichkeiten in Höhe von rund 4.700,00 EUR. Die von Ihnen geleisteten Mietzahlungen verwendet Herr A leider nicht zur Begleichung seiner Rückstände und auch nicht zur Bezahlung des laufenden Hausgelds. Sie werden verstehen, dass dieser Zustand für die WEG nicht länger tragbar ist. Wir müssen Sie deshalb auffordern, die Miete ab sofort an die WEG zu bezahlen (Konto IBAN DE20 123 456 789). [Variante, die bei zahlungskräftigen Mietern in Betracht kommt: "aufzufordern, die vorbezeichneten Hausgeldrückstände i.H.v. 4.700,00 EUR zu bezahlen."] Wenn Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, behalten wir uns vor, Ihre Wohnung von der Heiz-, Warm- und Kaltwasserversorgung abzutrennen (Versorgungssperre); dazu ist die WEG nach ständiger Rechtsprechung im Wege des Zurückbehaltungsrechts befugt.
Rz. 106
Wenn ein Mieter in dieser Weise zu Direktzahlungen an die WEG (statt an seinen Vermieter) gedrängt wird, wird er sich überlegen, ob er dazu gegenüber seinem Vermieter berechtigt ist. Die Frage ist zu bejahen: Durch die Zahlung an die Gemeinschaft tilgt der Mieter Verbindlichkeiten seines Vermieters und erwirbt einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen diesen; allerdings kann der Verrechnung mit seinen eigenen Mietzahlungspflichten ein im Mietvertrag vereinbartes Aufrechnungsverbot oder die Abtretung oder Pfändung der Miete entgegen stehen. Unabhängig davon ist der Mieter unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 BGB oder Abs. 3 zur Abwendung der Versorgungssperre auf Kosten des Vermieters berechtigt: Denn die Versorgungssperre begründet einen Sachmangel der Mietsache und deren Androhung einen Rechtsmangel.
Rz. 107
Kommt der Mieter der Zahlungsaufforderung nicht nach, kann die Gemeinschaft die Realisierung der Versorgungssperre versuchen. Wenn dazu aber das Betreten der Wohnung erforderlich wird, wird die Durchführung praktisch unmöglich sein, denn im Gegensatz zum Eigentümer ist der Mieter nicht verpflichtet, das Betreten seiner Wohnung zu diesem Zweck zu dulden (str.). In solchen Fällen kann die (außerhalb der Wohnung einzurichtende) Stromsperre (→ § 9 Rdn 96) das Mittel der Wahl sein.