Rz. 89
Die in § 10 ZVG aufgeführten Ansprüche, die "ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück gewähren", berechtigen die Gläubiger bei der Insolvenz des Schuldners gem. § 49 InsO zur abgesonderten Befriedigung aus dem Grundstück nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung. Kurz gesagt: Die Immobiliarzwangsvollstreckung ist trotz Insolvenz möglich.
Rz. 90
Hat die WEG bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits einen Zahlungstitel gegen den Gemeinschuldner, kann sie den Titel analog § 727 ZPO auf den Insolvenzverwalter umschreiben lassen, beschränkt "auf die Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum", und anschließend die Zwangsversteigerung beantragen. Hat die WEG beim Eintritt der Insolvenz noch keinen Titel, gilt Folgendes: Betreibt schon ein anderer Gläubiger die Zwangsversteigerung, gibt es keine Besonderheit; die WEG kann ihre privilegierten Ansprüche (auch ohne Titel) anmelden (→ § 9 Rdn 68). Läuft aber noch kein Zwangsversteigerungsverfahren, scheint die WEG rechtlos zu sein: Ohne Titel kann sie keine Zwangsversteigerung beantragen, eine Titulierung gegen den Gemeinschuldner ist aber nicht mehr möglich: Gem. § 87 InsO sind Forderungen im Insolvenzverfahren geltend zu machen, also zur Tabelle anzumelden. Die WEG fiele mit ihren privilegierten Hausgeldforderungen aus, was dem Zweck der Privilegierung widerspräche. Um dieses ungereimte Ergebnis zu vermeiden und dem Recht zur abgesonderten Befriedigung der privilegierten Ansprüche Geltung zu verschaffen, kann die WEG vom Insolvenzverwalter die Duldung der Zwangsversteigerung verlangen. Zunächst sollte die WEG ihn dazu auffordern, sich in einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) der sofortigen Zwangsvollstreckung in das betroffene Wohnungseigentum zu unterwerfen. Ist der Insolvenzverwalter hierzu nicht bereit, ist eine Klage (sog. "Pfandklage") gegen ihn auf Duldung der Zwangsversteigerung in Rangklasse 2 bis max. 5 % des Verkehrswerts zulässig und begründet. Liegt der Duldungstitel vor, kann die WEG daraus die Zwangsversteigerung betreiben. Die Berechnung des privilegierten 2-Jahres-Zeitraums knüpft in diesem Fall abweichend vom Wortlaut des § 10 Abs. 2 Nr. 2 ZVG nicht am Zeitpunkt der Beschlagnahme des Grundstücks an, sondern am Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Ergebnis werden die privilegierten Hausgeldrückstände somit im Insolvenzverfahren wie eine auf dem Wohnungseigentum ruhende dingliche Belastung behandelt, quasi als Grundpfandrecht ohne Eintragung. Es wäre konsequent und richtig (gewesen), diesen im ZVG angelegten dinglichen Charakter der Hausgeldansprüche zu einer allgemeinen Erwerberhaftung weiter zu entwickeln; das lehnt der BGH aber ab.
Rz. 91
Wenn der Insolvenzverwalter die Wohnung "freihändig" veräußert, bevor die Gemeinschaft sie im Wege der Zwangsversteigerung beschlagnahmen konnte, stellt sich die Frage, ob und wie das Absonderungsrecht abzugelten ist: Hat es die Wirkung, dass die Gemeinschaft die Bezahlung der privilegierten Hausgeldrückstände aus dem Verkaufserlös verlangen kann, gewissermaßen als dingliche Surrogation? Der BGH hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen.