Rz. 231
Für das Handeln der Erbengemeinschaft – genauer: der Miterben in ihrer gemeinschaftlichen Verbundenheit – im Außenverhältnis, also insbesondere gegenüber Außenstehenden, ist nach h.M. zu unterscheiden, ob es sich bei der Durchführung der ordnungsgemäßen Verwaltung um ein Verpflichtungsgeschäft oder um ein Verfügungsgeschäft handelt.
A. Verpflichtungsgeschäft der Miterbengemeinschaft
Rz. 232
Bei ordnungsgemäßen Verpflichtungsgeschäften hat die Mehrheit der Miterben bei der Abstimmung kraft Gesetzes die Vertretungsmacht, für die überstimmten oder von der Abstimmung ausgeschlossenen Miterben zu handeln. Dies wird mit § 2038 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1. BGB begründet: Es besteht die Notwendigkeit, dem Mehrheitsbeschluss gemäß zu handeln. Würde also der Beschluss der Erbengemeinschaft z.B. dahin gehen, dem außenstehenden Dritten A und nicht dem außenstehenden Dritten B das Nachlassgrundstück zu verpachten, dann kann der überstimmte Miterbe nicht den Abschluss des Pachtvertrages durch die Verweigerung seiner Unterschrift (vgl. § 550 BGB) boykottieren. Es unterschreibt (wenigstens) die Mehrheit der Miterben. Auch die überstimmten Miterben sollten unterschreiben (§ 2038 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Halbs. 1 BGB).Im Hinblick auf das Erfordernis der Schriftlichkeit des Mietvertrags und die Offenkundigkeit des Vertretungsverhältnisses (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB) muss für den Geschäftsgegner erkennbar sein, welche Miterben dem Vertrag zugestimmt haben und welche Erbquoten den unterschreibenden Miterben zuzuordnen sind, wenn nicht alle Miterben unterschreiben. Daraus kann der Vertragsgegner dann ermitteln, ob die unterschreibenden Miterben die Mehrheit in der Erbengemeinschaft bilden und welche Miterben mit welchen Quoten überstimmt sind. Als Beleg wird man eine Kopie des Erbscheins beifügen. Die Miterben, die auf der Mehrheitsseite stehen, müssen also nicht gegen die Minderheit der Miterben auf Abgabe von dahingehenden Willenserklärungen klagen (wie man früher annahm).
B. Verfügungsgeschäfte der Miterbengemeinschaft
Rz. 233
Bei ordnungsmäßigen Verfügungsgeschäften über Nachlassgegenstände, Sachen wie Rechte, votierte früher die h.M. anders als bei den Verpflichtungsgeschäften: die h.M. verlangt die Mitwirkung aller Miterben.
Es ist davon auszugehen, dass eine Verfügung dann vorliegt, wenn auf ein bestehendes Recht unmittelbar eingewirkt wird. Anders ausgedrückt: Eine Verfügung liegt vor, wenn ein Recht übertragen, belastet, inhaltlich verändert oder aufgehoben wird. Es sind also nicht nur Sachenrechte betroffen, z.B. durch Belastung mit einem Pfandrecht oder der Eigentumsübertragung an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache, sondern auch Schuldrechte. Sie werden z.B. durch Kündigung, Anfechtung, Erlassvertrag oder Übertragung verändert. Und hier wendet die wohl noch h.M. § 2040 BGB an: Es müssen alle Miterben nach außen mitwirken. Notfalls müssen sie durch Urteil, das die Mehrheit der Miterben gegen die sich sträubenden überstimmten Miterben erwirkt, dazu gezwungen werden, wobei dann das Urteil nach § 894 ZPO die entsprechende Willenserklärung und deren notwendige Form ersetzt.
Zu folgen ist – nunmehr mit dem BGH – der Gegenansicht: Auch bei Verfügungsgeschäften vertritt kraft Gesetzes die Erbenmehrheit die überstimmte Minderheit der Miterben. Es wäre einmal äußerst unpraktisch, wenn bei der Abstimmung über laufende Geschäfte die Mehrheit der Miterben entscheidet, bei der Durchführung des Beschlusses aber auch überstimmte Miterben mitwirken müssen, die verklagt werden müssen, wenn sie nunmehr nicht – entgegen ihren Pflichten (§ 2038 Abs. 1 S. 2 BGB) – kooperativ sind. Die Mehrheit könnte anderenfalls, z.B. einen Verwalter für den Nachlass durch Verpflichtungsgeschäft bestellen, ihm aber bei Versagen in seiner Tätigkeit nicht fristlos kündigen, weil eine Kündigung eine Verfügung ist. Die Überprüfung des Mehrheitsbeschlusses kann die Minderheit im Übrigen durchführen, ohne die Gültigkeit einer Verfügung in Frage zu stellen.
C. Die Wahrnehmung der Rechte der minderjährigen Miterben bei den Verträgen: Vertretung
Rz. 234
Ebenso wie Eltern bei der Willensbildung in der Erbengemeinschaft mehrere Kinder vertreten können (siehe Rdn 224 ff.), ebenso können sie für diese auch rechtsgeschäftlich handeln und brauchen dafür grundsätzlich keinen Ergänzun...