Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 5
Fallbeispiel 78: Die sparende Großmutter
Die Großmutter G hatte – beginnend 2010 – für ihre damals 12 Jahre alte Enkelin auf deren Namen einen Sparvertrag mit einer monatlichen Sparrate von 250 EUR als "Startkapital für eine erste Aussteuer" abgeschlossen. Eine vorzeitige Verfügung der Enkelin bis zum Laufzeitende 2023 war ausgeschlossen. 2016 zog die Enkelin zu Hause aus, beantragte Wohngeld und bekam es bewilligt. 2018 erfuhr das Wohngeldamt von dem Kontoguthaben und den monatlichen Zuwendungen der G auf dem Konto ihrer Enkelin. Das Wohngeldamt hob den Bewilligungsbescheid auf und verlangte die Erstattung der erbrachten Leistungen.
Rz. 6
Das Wohngeldrecht geht in einem ersten Schritt von einer Einkommensberechnung aus, die sich am Einkommensteuergesetz orientiert. Das Jahreseinkommen eines zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieds ist die Summe der positiven Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 EStG. Maßgeblich ist danach zunächst das Einkommen, das den sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG zuzuordnen ist.
Rz. 7
Einmalige Zuflüsse aus Erbfall und Schenkung gehören – genauso wie im Eingliederungshilferecht – nicht zu den Einkünften i.S.d. EStG. Solche Zuflüsse haben leistungsrechtliche Relevanz, wenn aus dem Zufluss der Schenkungs- und Nachlasssubstanz Einkünfte i.S.d. EStG generiert werden können. Das dürfte ein in der Praxis eher seltener Fall sein.
Rz. 8
Nach § 14 Abs. 2 WoGG kommen bei der Einkommensermittlung weitere steuerfreie Einkünfte und Vermögensvorteile hinzu, die wohngeldrechtlich abzüglich der Abzugsbeträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (§ 16 WoGG) zu berücksichtigen sind. Es wird eine nahezu unübersehbare Zahl von steuerfreien Zuflüssen in die Ermittlung des Jahreseinkommens mit einbezogen, die in § 14 Abs. 2 WoGG aufgezählt werden. Das wohngeldrechtlich zu berücksichtigende Einkommen soll damit Begünstigungen, die auf besonderen steuerrechtlichen Erwägungen beruhen, beim Wohngeld vermeiden.
Rz. 9
Dazu gehört § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG sind dem Anspruchsteller die nach § 22 Nr. 1 S. 2 EStG steuerfrei bleibenden Leistungen, die ihm von einer Person, die kein Haushaltsmitglied ist, zugewendet werden, mit Ausnahme der Bezüge bis zu einer Höhe von 4.800 EUR jährlich, die für eine Pflegeperson oder Pflegekraft geleistet werden, die den Empfänger wegen eigener Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 SGB XI pflegt, wohngeldrechtlich zuzurechnen. § 14 Abs. 2 WoGG regelt damit die wohngeldrechtlich begründete Gegenausnahme von der Steuerfreistellung.
Rz. 10
§ 22 Abs. 1 EStG bestimmt, dass Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1–6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören, zu den sonstigen steuerpflichtigen Einkünften gehören. Davon macht § 22 Abs. 1 S. 2 EStG eine Ausnahme und regelt, dass (wiederkehrende) Bezüge, die
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freiwillig, |
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aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder |
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einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person |
gewährt werden, dem Empfänger steuerrechtlich aber nicht zugerechnet werden dürfen, also nicht steuerpflichtig sind. Im Ergebnis sind solche regelmäßigen monatlichen Zuwendungen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 2 EStG wohngeldrechtlich zuzurechnen, nicht aber einmalige Zuwendungen.
Rz. 11
Zuflusszeitpunkt ist bei einkommensteuerrechtlicher Betrachtungsweise das Kalenderjahr, in dem die Einkünfte auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben worden sind.
Der Zufluss von Einnahmen i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 EStG ist dann gegeben, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Geld bzw. die Güter in Geldeswert erlangt. Wirtschaftlich über Einnahmen verfügen kann der Empfänger, wenn sie in sein Vermögen übergegangen sind; erforderlich ist der wirtschaftliche Übergang des Gutes oder das Erlangen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis darüber.
Rz. 12
Die Fälligkeit einer Leistung beeinflusst den Zufluss bzw. dessen Zeitpunkt nicht. Es gilt der steuerrechtliche Zufluss:
Zitat
"Für eine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG dergestalt, dass die dort genannten Bezüge nur dann als zugeflossen gelten würden, wenn sie für den Wohngeldberechtigten auch tatsächlich zur Deckung seiner Wohnkosten bereitstünden, besteht kein Anlass. Sie ist auch nicht mit Blick auf die nach § 1 Abs. 1 WoGG bezweckte wirtschaftliche Sicherung des angemessenen und familiengerechten Wohnens geboten. Denn erstens folgt allein daraus, dass der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG die Formulierung "gewährt werden" verwendet hat, nicht, dass er vom einkommenssteuerrechtlichen Zuflussprinzip, dessen Geltung für das Wohngeldrecht § 14 Abs. 1 WoGG bestimmt, abweichen wollte. In den Gesetzgebungsmaterialen finden sich hierfür keine Anhaltspunkte. Auch der Umstand, dass die in § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG verwendete Formulierung der "gewährten Bezüge" den Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgreift, der diese Formulierung ebenfalls enthält, spricht dagegen, aus dieser Formulierung auf ein vom Einkommenssteuerrecht abweichendes...