Rz. 133
Ob eine Unterhaltsvereinbarung abänderbar oder für immer festgeschrieben sein soll, ist von besonderer Bedeutung. Dies ergibt sich zum einen aus der wirtschaftlichen bzw. existenziellen Tragweite für die Beteiligten etwa im Fall später eintretender Arbeitslosigkeit, Erkrankung oder Erwerbsunfähigkeit. Zum anderen kann bei lange zurückliegenden Vereinbarungen die Geschäftsgrundlage, wenn sie nicht oder nur unzureichend niedergelegt ist, nicht mehr feststellbar sein, was erhebliche Auswirkungen auf die Berechnung des künftigen Unterhaltsanspruchs hat.
Rz. 134
Beim Trennungsunterhalt ist darauf zu achten, dass der Ausschluss einer Unterhaltsabänderung nicht gegen §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1, 134, 397 BGB verstoßen darf (siehe dort, Rdn 247 ff.). Das Verbot des Trennungsunterhaltsverzichts wäre leicht zu umgehen, wenn bei absehbarer oder auch nur möglicher künftig erhöhter Bedürftigkeit ein zu niedriger Unterhalt unabänderbar festgeschrieben würde.
Rz. 135
Im Übrigen gilt – insofern auch für den nachehelichen Unterhalt – Folgendes:
▪ | Nach welchen formellen und materiellen Vorschriften eine Unterhaltsvereinbarung abgeändert werden kann, richtet sich nach deren rechtlicher Qualität. |
▪ | Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen können zum einen in Vergleichen i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder in vollstreckbaren Urkunden niedergelegt sein. In diesem Fall gilt § 239 Abs. 1 FamFG, wonach jeder Teil gerichtlich die Abänderung beantragen kann, wenn er Tatsachen vorträgt, welche dieselbe rechtfertigen. Dies sind die Voraussetzungen der Veränderung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB (§ 239 Abs. 2 FamFG). |
▪ | Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen können aber auch in Notarverträgen ohne Vollstreckungsklausel oder, soweit im Einzelfall zulässig, privatschriftlich oder sogar mündlich zustande gekommen sein. In diesem Fall gilt zwar ebenfalls § 313 BGB. Eine erforderliche gerichtliche Klärung erfolgt in diesem Fall aber nicht über einen Abänderungsantrag, sondern – nach Einstellung oder Reduzierung der Unterhaltszahlungen – über einen Leistungserstantrag. |
▪ | Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei demjenigen, der sich auf den Vorfall der Geschäftsgrundlage beruft.[77] |
Rz. 136
Praxistipp
Materiell richtet sich die Begründetheit eines Abänderungsbegehrens immer nach der wesentlichen Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse.
Rz. 137
Damit stellt sich für die Vertragsgestaltung folgende Frage: Wie ist die Mandantschaft zu beraten und in welcher Weise – aber auch, ob überhaupt – ist für spätere Abänderungssachverhalte in der Ehevertrags- oder Scheidungsfolgenvereinbarung vorzusorgen?
Hierbei sind die Unterschiede zwischen § 239 FamFG und § 238 FamFG und die vom Bundesgerichtshof ergangene Rechtsprechung zu beachten.
a) Gestaltungsspielraum
Rz. 138
Die Beteiligten können die Abänderung der Unterhaltsvereinbarung ausschließen, erschweren und erleichtern,[78] solange nicht gesetzliche Vorschriften, insbesondere § 1614 BGB,[79] verletzt werden.
b) § 239 FamFG und § 238 FamFG; die Rechtsqualität des Vergleiches bzw. der Urkunde
Rz. 139
Für Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen kommt lediglich die Anwendung von § 239 FamFG in Betracht und auch dies nur unter der Voraussetzung, dass sie entweder in einem Vergleich i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder in einer vollstreckbaren Urkunde, insbesondere also in einer Notarurkunde oder (beim Kindesunterhalt) in einer Jugendamtsurkunde niedergelegt sind.
Rz. 140
Außergerichtliche Vergleiche und sonstige Vereinbarungen fallen nicht unter die Vorschrift, die insofern auch nicht disponibel ist.[80]
Rz. 141
Praxistipp
Die Beteiligten können nicht vereinbaren, dass außergerichtliche Vergleiche und sonstige Vereinbarungen incl. notarieller und sonstiger, aber nicht vollstreckbarer Urkunden nach § 239 FamFG abänderbar sein sollen.
Rz. 142
Trotz großer Schnittmenge besteht ein wichtiger Unterschied zwischen § 239 FamFG und § 238 FamFG. § 239 FamFG erfordert Tatsachen, die die Abänderung rechtfertigen (§ 239 Abs. 1 FamFG) und welche sich nach dem materiellen Bürgerlichen Recht richten, und zwar nach § 313 BGB.[81] § 238 Abs. 1 FamFG erfordert eine wesentliche Veränderung der der abzuändernden Entscheidung des Gerichts zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, also nicht, wie bei §§ 239 FamFG, 313 Abs. 1 BGB die Unzumutbarkeit des Fortbestands der neuen Sachlage für den dadurch Benachteiligten (Billigkeitsprüfung). Hierbei ist zu beachten, dass die Unzumutbarkeit der Beibehaltung für den einen Teil nicht genügt; die Abänderung muss dem anderen Teil zuzumuten sein.[82] Enthält der Vertrag noch andere Regelungen als die abzuändernde, ist eine Gesamtabwägung erforderlich.[83]
Rz. 143
Praxistipp
Die Abänderung von Vergleichen und Urkunden setzt neben der Feststellung einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhält...
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