Rz. 87

Die Eltern sollten sich, soweit sie entsprechendes Einvernehmen erzielen und sie davon ausgehen, dass das auch umgesetzt werden wird, auf ein Betreuungsmodell einigen.

 

Rz. 88

 
Residenzmodell

Betreuung durch den einen, Umgang mit dem anderen Elternteil

Regelungsbedarf: Aufenthalt und Umgang, Umgangskosten
Erweiterter Umgang

Residenzmodell mit erweiterten Umgangszeiten

Regelungsbedarf: wie Residenzmodell, Zusatzkosten
Wechselmodell

Geteilte Betreuung

Regelungsbedarf: die genauen Betreuungszeiträume, ggf. angepasst an das steigende Alter des Kindes, Alltagssorge, Kindesunterhalt, Kindergeld, wechselseitige Vollmachten
Nestmodell

Kind ist "ortsfest" in einem einzigen Haushalt und wird dort abwechselnd von den Eltern betreut

Regelungsbedarf: wie Wechselmodell
 

Rz. 89

Der Begriff Wechselmodell ist nicht gesetzlich vorgegeben. Nach allgemeinem Sprachverständnis liegt ein Wechselmodell vor, wenn das Kind alternierend in der Obhut des einen und des anderen Elternteils ist.

 

Rz. 90

Allerdings ist der Begriff des Wechselmodells kein Selbstzweck, sondern dient im Rahmen der Barunterhaltspflicht der Feststellung, von welchem Elternteil das Kind betreut wird, insofern es um die diesbezügliche Erfüllung der Unterhaltspflicht geht (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) und damit spiegelbildlich um die Barunterhaltspflicht des anderen Elternteils.

 

Rz. 91

Der Begriff Wechselmodell verkürzt damit schlagwortartig den Ausnahmefall, dass beide Elternteile Betreuungsleistungen in einem Maß erbringen, welches eine Abweichung von der gesetzlichen Unterhaltsregelung verlangt. Im Fall des Wechselmodells haben beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich dann nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden – erhöhten – Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten), so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher liegt als beim herkömmlichen Residenzmodell.[51]

 

Rz. 92

Für die Annahme oder Nichtannahme eines Wechselmodells durch den Bundesgerichtshof liegen verschiedene Entscheidungen vor.

 

Rz. 93

Kein Wechselmodell liegt vor, wenn das Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt, der die Hauptverantwortung für das Kind trägt.[52] Der zeitlichen Komponente kommt indizielle Bedeutung zu, ohne dass sich die Beurteilung hierauf zu beschränken braucht:[53]

Das Kind verbringt 36 % der Zeit beim anderen Elternteil.[54]
Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrennt lebender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt (auch im Rahmen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB) dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu.[55]
Anders ist es nur zu beurteilen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt (verneint bei einer Betreuung von 6 von 14 Tagen).[56]
Ein paritätisches, "echtes" Wechselmodell liegt vor beim wöchentlichen Wechsel von einem zum anderen Elternteil.[57]
 

Rz. 94

Nach einer neueren Entscheidung des OLG Hamburg kann das Wechselmodell (hälftige Aufteilung der Betreuungszeiten) im Rahmen einer Umgangsentscheidung angeordnet werden, sofern die dem Wohl des Kindes am besten entspricht.[58]

[51] BGH FamRZ 2015, 236.
[52] OLG Düsseldorf FamRZ 2016, 142.
[53] BGH FamRZ 2006, 1015; 2007, 707.
[55] BGH FamRZ 2014, 917.
[56] BGH FamRZ 2015, 236.
[58] OLG Hamburg NZFam 2016, 285 vgl. auch AG Heidelberg FamRZ 2015, 151.

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