Rz. 168

Die Bedeutung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate der Oberlandesgerichte[96] wird bei der Rechtsanwendung häufig unterschätzt.

Daher kommt ihnen auch bei der Vertragsgestaltung eine erhebliche Relevanz zu. Sie sind eine latente Gefahr, die im Falle späterer Streitigkeiten aus dem Vertrag virulent zu werden droht. Dies liegt nicht nur daran, dass die Leitlinien letztlich wie ein Gesetz gehandhabt werden, obwohl sie nach ihren jeweiligen Präambeln ein solches nicht sein wollen,[97] sodass die spätere Änderung der örtlich einschlägigen Leitlinien Fragen aufwerfen kann. Vielmehr kann es auch vorkommen, dass einer der Ehegatten vom einen in den anderen OLG-Bezirk verzieht.

 

Rz. 169

 

Beispiel anhand der sog. relativen Sättigungsgrenze

M und F wohnen im Bezirk des OLG Frankfurt. M erzielt als Manager ein weit überdurchschnittliches Einkommen, welches in der Ehe bei ansonsten recht sparsamer Lebenshaltung überwiegend in Vermögenswerten angelegt wurde. F betreut drei gemeinsame kleine Kinder. Beide sind sich darin einig, dass F keiner Erwerbsobliegenheit unterliegt. Die Voraussetzungen einer konkreten Bedarfsberechnung liegen nicht vor. M ist nur zur Zahlung desjenigen Unterhalts bereit, zu dem er gesetzlich verpflichtet ist. Daher einigt man sich auf den Betrag der sog. relativen Sättigungsgrenze von 2.500 EUR nach "Frankfurter Praxis" (die sog. relative Sättigungsgrenze definiert die Obergrenze des Quotenbedarfs bei überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnissen).

(Ziffer 15.3 der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt).

Nunmehr verzieht M nach Hamburg und F nach München.

Der Fall ist auch umgekehrt denkbar: Umzug der F von München nach Frankfurt.

 

Rz. 170

Die Ziffern 15.3 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Hamburg und der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland sehen eine bezifferte relative Sättigungsgrenze nicht vor. Das OLG Stuttgart hat eine Quotenunterhaltsberechnung noch bei einem Einkommen von 8.839 EUR zugelassen.[98]

Es kann sich daher anbieten, Regelungen über die Geltungsvoraussetzungen oder den Teilausschluss einzelner Leitlinienklauseln in den Vertrag aufzunehmen.

 

Rz. 171

Muster 9.27: Unterhaltsleitlinien OLG

 

Muster 9.27: Unterhaltsleitlinien OLG

M und F wurden vom Notar über die Bedeutung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte belehrt.

Sie erklären:

Die Obergrenze des Quotenbedarfs von F richtet sich nach Ziffer 15.3 der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt und wird daher auf zzt. 2.500 EUR monatlich festgelegt. Sollte für ein späteres Unterhaltsabänderungsverfahren ein anderes Oberlandesgericht zuständig sein, berechtigt dies nicht zur Geltendmachung eines höheren Unterhalts.

Variante

M zahlt an F Ehegattenunterhalt von 8.000 EUR monatlich. Sollte für ein späteres Unterhaltsabänderungsverfahren ein anderes Oberlandesgericht zuständig sein, berechtigt eine nach dortiger Gerichtspraxis angewendete sog. relative Sättigungsgrenze, die zu einem niedrigeren Unterhalt führen würden, M nicht zur Unterhaltsabänderung.

 

Rz. 172

 

Hinweis

Beim Trennungsunterhalt kann die Festschreibung einer niedrigen Sättigungsgrenze aus Sicht eines anderen Oberlandesgerichts einen Teilverzicht darstellen.

Dies ist wegen §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1, 134, 397 BGB problematisch (siehe Rdn 247 f.).

[96] Vgl. z.B. Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, in der jeweils aktuellen Auflage.
[97] Hierzu kritisch Herr, FuR 2015, 454.

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