I. Typischer Sachverhalt
Rz. 15
Eine Gemeinde stellt einen Bebauungsplan auf, der mit den Interessen der davon Betroffenen nicht in Einklang steht. Hiergegen werden von den Betroffenen entweder im Bauleitplanverfahren Anregungen erhoben oder der Bebauungsplan wird nach Rechtsverbindlichkeit mit der Normenkontrolle nach § 47 VwGO beim OVG/VGH angefochten.
II. Rechtliche Grundlagen
1. Allgemeines
Rz. 16
Aufgabe der Bauleitplanung ist, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des BauGB vorzubereiten und zu leiten (§ 1 Abs. 1 BauGB). Im Gegensatz zum Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) definiert der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan) das konkrete Baurecht der Grundstückseigentümer in dem betroffenen Gebiet (vgl. § 1 Abs. 2 BauGB).
Das BauGB unterscheidet bei den Bebauungsplänen grundsätzlich nach den so genannten qualifizierten (§ 30 Abs. 1 und 2 BauGB) und einfachen Bebauungsplänen (§ 30 Abs. 3 BauGB). Nur ein qualifizierter Bebauungsplan ist in der Lage, konkretes Baurecht zu schaffen. Im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans richtet sich hingegen die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 34, 35 BauGB. Ob und inwieweit ein – einfacher oder qualifizierter – Bebauungsplan aufgestellt werden soll, liegt grundsätzlich im Planungsermessen der Gemeinde.
2. Planungsermessen/Planungsgrenzen
Rz. 17
Die Bebauungspläne sind in eigener Verantwortung der Gemeinden aufzustellen (§ 2 Abs. 1 BauGB). Diesem Planungsrecht der Gemeinde entspricht eine Planungspflicht, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB).
Ein Bebauungsplan ist z.B. dann aufzustellen, wenn Baumaßnahmen geplant sind, die die städtebauliche Entwicklung eines Gemeindegebiets wesentlich beeinflussen oder eine Freifläche bebaut werden soll, die wegen ihrer Größe und fehlender Anknüpfungsmöglichkeit zur umgebenden Bebauung nur durch einen Bebauungsplan einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zugeführt werden kann.
Die Planungspflicht besteht ausschließlich im öffentlichen Interesse; ein Rechtsanspruch auf die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen besteht nach § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB nicht und kann insbesondere auch nicht durch vertragliche Verpflichtungen begründet werden.
Das Planungsermessen der Gemeinde unterliegt dem Abwägungserfordernis des § 1 Abs. 6 und 7 sowie § 1a BauGB. Die rechtlichen – und insoweit auch überprüfbaren – Anforderungen an das Gebot der gerechten Abwägung hat die Rechtsprechung wie folgt zusammengefasst:
Rz. 18
Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt,
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wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, |
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wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, |
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wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder |
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wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. |
Durch das EAG Bau hat der Gesetzgeber das Planaufstellungsverfahren aufgewertet, indem er – dem Rechtsgedanken des europäischen Verwaltungsrechts folgend – von der Ergebnisrichtigkeit zur Verfahrensrichtigkeit umgeschwenkt ist. Diese Systemänderung hat auch zu Konsequenzen bei der Prüfung, ob ein Bebauungsplan formell und materiell wirksam ist, geführt. Im Rahmen der formellen Wirksamkeit sind nunmehr nach der so genannten Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten. Dies bedeutet, dass die bisher im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit geprüften Fehler im Abwägungsvorgang (Abwägungsdefizit, Abwägungsausfall und Abwägungsfehleinschätzung) bereits bei der Prüfung der formellen Wirksamkeit eines Bebauungsplanes geprüft werden müssen. Diese neue Form der Prüfung von Bewertungsausfall, Ermittlungsdefizit und Bewertungsfehleinschätzung im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplanes wird vor allem durch die Existenz von § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB unterstrichen. Denn nach dieser Norm können Mängel, die Gegenstand der Regelung des § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind, nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden. Für die Prüfung des allgemeinen Verfahrensgebotes nach § 2 Abs. 3 BauGB werden allerdings wieder die gleichen Maßstäbe angesetzt wie bei der Prüfung von Fehlern im Rahmen des Abwägungsvorganges nach alter Rechtslage (vgl. auch Rdn 29, dort II, 2d).
Das Abwägungsgebot wird nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde innerhalb dieses Rahmens in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurücksetzung eines anderen entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die elementare planerische...