Hilmar Stobbe, Dr. Jens Tietgens
Rz. 110
Die Berechnung des Verdienstausfallschadens ist bei Selbstständigen wesentlich komplizierter und aufwendiger. Eine Lohnfortzahlung findet nicht statt. Der Verdienstausfallschaden besteht aus den Einbußen, die der selbstständig Tätige während seines unfallbedingten Arbeitsausfalls konkret erlitten hat. Die Schadensbezifferung setzt entweder den Nachweis konkret entgangener Geschäfte oder einer Gewinnminderung voraus. Dieser Nachweis hängt von vielen Unbekannten ab und lässt sich häufig nur unter Mithilfe von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern oder entsprechenden Sachverständigen vornehmen.
Rz. 111
Da Umsatz, Kosten, Steuern und somit der Gewinn eines Selbstständigen Schwankungen unterworfen sind, ist eine exakte Berechnung unmöglich. In der Regel hilft eine Darstellung von Umsatz, Kosten und Gewinn in den Jahren vor dem Unfall und eine Gegenüberstellung der einzelnen Werte im Jahr des Unfalls und ggfs. dem Folgejahr. Maßgebend ist, wie sich das vom Selbstständigen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte. Ebenfalls zu berücksichtigen sind besondere Effekte, z.B. saisonal bedingte umsatzstarke Zeiten. Auch die konkrete Tätigkeit des Selbstständigen, der Zeitpunkt und die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit haben Auswirkungen auf die Berechnung des Schadens. So vielfältig wie die Tätigkeiten von Selbstständigen sind, so vielfältig ist auch die Darlegung des Erwerbsschadens. Beispielsweise kann bei einem Taxifahrer, der seine tägliche Tätigkeit nicht nachholen kann, schon ein kurzfristiger Arbeitsunfall zu einem Erwerbsschaden führen, während der Betreiber einer Eisdiele bei einem zweimonatigen Arbeitsunfall in den Wintermonaten keinen Gewinnrückgang verzeichnen wird. Um den geltend gemachten Schaden nachvollziehbar darlegen zu können und dadurch Streit in der Regulierung zu vermeiden, ist eine frühzeitige Besprechung mit dem Mandanten hinsichtlich seiner konkreten selbstständigen Tätigkeit und Gewinnerzielung und eine Beratung des Mandanten vor allem vor dem Hintergrund der Schadenminderungspflicht unumgänglich.
Rz. 112
Wegen der Unmöglichkeit der exakten Berechnung und der erforderlichen Prognose der hypothetischen Geschäftsentwicklung kommen dem Geschädigten Beweiserleichterungen nach § 252 S. 2 BGB und § 287 Abs. 1 ZPO zugute. Für die Schätzung des Erwerbsschadens müssen aber hinreichende Anknüpfungstatsachen dargelegt und bewiesen werden. Auch die erleichterte Schadensberechnung lässt eine völlig abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens nicht zu.
Rz. 113
Ist die Erwerbsfähigkeit des Geschädigten nur gemindert, verbietet sich eine abstrakte Schätzung aufgrund des Grades der MdE. Gefordert ist auch hier keine konkrete Darstellung. Die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit verpflichtet nur zum Schadensersatz, soweit durch sie tatsächlich ein Vermögensschaden entstanden ist, d.h. soweit der Verletzte durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit tatsächlich einen Verdienstausfall erlitten hat.
Rz. 114
Aufgrund der Probleme bei der Bezifferung des Verdienstausfallschadens sollte stets geprüft werden, ob der Ausfall der Arbeitskraft des Mandanten durch die Einstellung einer Ersatzkraft aufgefangen werden kann. Die dadurch verursachten Kosten stellen einen leicht zu bestimmenden und vom Schädiger zu ersetzenden Schaden dar. Eine fiktive Abrechnung für eine gleichwertige, aber tatsächlich nicht eingestellte Ersatzkraft ist jedoch unzulässig. Der Ausfall der Arbeitskraft muss sich negativ in einer entsprechenden Bilanz niedergeschlagen haben.
Rz. 115
Muster 9.25: Kosten einer Ersatzkraft
Muster 9.25: Kosten einer Ersatzkraft
_________________________ Versicherung AG
_________________________
_________________________
Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________
Schaden vom _________________________
Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Arbeitsunfähigkeitszeitraum meines Mandanten ist nunmehr abgeschlossen. Seit dem _________________________ übt er wieder seinen Beruf als selbstständiger _________________________ aus. Während des Ausfallzeitraums beschäftigte mein Mandant _________________________. Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses war der in der Anlage in Kopie beigefügte befristete Arbeitsvertrag. Danach betrug die Bruttovergütung für die Aushilfe _________________________ EUR. Hierauf hatte mein Mandant anteilige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von _________________________ zu leisten. Diese Beträge setzen sich wie folgt zusammen:
_________________________
Danach beträgt der Erwerbsschaden meines Mandanten insgesamt _________________________ EUR. Für den Ausgleich dieses Betrags habe ich mir eine Frist bis zum
_________________________ (14-Tages-Frist)
notiert. Äußerst vorsorglich weise ich bereits jetzt darauf hin, dass durch den Einsatz der Hilfskraft der Geschäftsbetrieb meines Mandanten nur teilweise, aber nicht vollständig aufrechterhalten werden konnte. ...