Hilmar Stobbe, Dr. Jens Tietgens
Rz. 123
Der nicht berufstätige Geschädigte erleidet einen Erwerbsschaden, wenn er während des verletzungsbedingten Ausfalls seinen Haushalt nicht mehr führen kann. Der Haushaltsführungsschaden des Nichtberufstätigen wird in der Praxis der Verkehrsunfallbearbeitung häufig übersehen.
Rz. 124
Die Haushaltsführung stellt eine Erwerbstätigkeit i.S.d. § 842 BGB dar und/oder begründet einen Anspruch auf Ausgleich vermehrter Bedürfnisse gemäß § 843 BGB. Um einen Erwerbsschaden gemäß § 842 BGB handelt es sich in den Fällen, in denen Unterhaltspflichten gemäß § 1360 BGB aufgrund unfallbedingten Ausfalls nicht mehr erfüllt werden können.
Beispiel
A ist verheiratet. Seine Ehefrau ist berufstätig, während er den Haushalt führt und für die Erziehung der Kinder zuständig ist. Durch den Unfall erleidet A einen Personenschaden. Dadurch kann er seiner Unterhaltspflicht gemäß § 1360 BGB nicht mehr entsprechen.
Die Beeinträchtigung der Haushaltsführung ist allerdings nur dann ein nach §§ 842, 843 BGB zu ersetzender Erwerbsschaden, wenn die Tätigkeit der Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht dient. Die Pflege der Mutter der Geschädigten ist deshalb bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens nicht zu berücksichtigen, sofern eine entsprechende Unterhaltsverpflichtung gem. § 1602 Abs. 1 BGB nicht konkret vorgetragen worden ist. In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Ausgleich eines unfallbedingten Mehrbedarfs, da hinsichtlich der für den Lebensgefährten erbrachten Hausarbeit keine rechtliche Verpflichtung zur Erbringung von Unterhaltsleistungen besteht. Wurde hingegen zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor dem Schadenereignis eine vertragliche Vereinbarung darüber getroffen, dass Haushaltsleistungen als Gegenleistung zu Unterhaltsleistungen erbracht werden sollen, ergibt sich hieraus ein ersatzfähiger Vermögensschaden. Die Unterscheidung zwischen dem Haushaltsführungsschaden als Erwerbsschaden oder als Bestandteil der vermehrten Bedürfnisse ist wichtig für die Frage, ob und in welchem Umfang sich der Geschädigte Leistungen von Sozialversicherungsträgern auf den Haushaltsführungsschaden anrechnen lassen muss. Maßgeblich ist hierfür die Frage, der Kompensation welchen Schadens die Leistung des Sozialversicherungsträgers dient.
Rz. 125
Der Haushaltshilfeschaden stellt vermehrte Bedürfnisse dar, wenn die Möglichkeit wegfällt, eigene Bedürfnisse zu befriedigen.
Beispiel
A ist alleinstehend. Unfallbedingt ist es ihm nicht mehr in vollem Umfang möglich, seinen eigenen Haushalt zu führen.
Rz. 126
Ansprüche auf Ausgleich eines Haushaltsführungsschadens können folgende Personen geltend machen:
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die (Nur-)Hausfrau wie der (Nur-)Hausmann, |
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Berufstätige nur, soweit sie neben ihrem Verdienstausfall auch in ihrer Haushaltsführung beeinträchtigt sind, |
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Eltern auch wegen der Versorgung und Erziehung ihrer Kinder im Haushalt, |
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Kinder, wenn sie im Haushalt erheblich mitgeholfen haben – es muss sich dabei jedoch um einen eigenen Schaden des Kindes handeln (soweit es um die entgangene Mithilfe der Kinder im Haushalt geht, kommt primär ein unmittelbarer Anspruch der Eltern aus § 845 BGB in Betracht). Zwar kann das im Haushalt der Eltern wohnende, volljährige und berufstätige Kind keinen Haushaltsführungsschaden nach § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Erwerbsschadens geltend machen, da das Kind, welches seine volle Arbeitskraft für eine eigene entgeltliche Berufstätigkeit einsetzt, keine Verpflichtung zur Mitarbeit gemäß § 1619 BGB mehr trifft. Jedoch kann dies unter dem Gesichtspunkt vermehrter eigener Bedürfnisse, § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB Ansprüche geltend machen. Die Konstellation ist insoweit einem Single-Haushalt vergleichbar, für welchen ein Anspruch auf Erstattung des Haushaltsführungsschadens anerkannt ist. Es kann keinen haftungsrechtlich relevanten Unterschied darstellen, ob der eigene Haushalt in eigenen bzw. angemieteten Räumen oder noch in Räumen des elterlichen Anwesens geführt wird. |
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eingetragene Lebenspartner nach dem LPartG. Ab dem 1.10.2017 gilt gem. § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB die "Ehe für alle". Sie setzt voraus, dass sie von zwei Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen wird. |
Rz. 127
Umstritten ist, ob dem Verletzten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch ein Anspruch auf einen Erwerbsschaden zusteht. Hiergegen spricht, dass ein solcher Anspruch nur dann besteht, wenn der Betroffene für andere Personen in Erfüllung einer geschuldeten Unterhaltsverpflichtung eine Hausarbeit leistet. Diese Verpflichtung folgt bei Ehegatten aus § 1360 BGB und erstreckt sich gerade nicht auf die nichteheliche Gemeinschaft. Insoweit wird von der h.M. in der Rechtsprechung vertreten, dass lediglich ein Anspruch auf den Ausgleich vermehrter Bedürfnisse besteht.
Rz. 128
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Muster 9.27: Ablehnung des Haushaltsführungsschadens bei nich...