Hilmar Stobbe, Dr. Jens Tietgens
Rz. 151
Soweit der Erwerbsschaden und die vermehrten Bedürfnisse des Geschädigten infolge einer bereits vorhandenen Erkrankung oder Disposition auch ohne das schadenstiftende Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz oder teilweise eingetreten wären, ist der Schaden dem Schädiger nicht zuzurechnen. Rechtlich handelt es sich darum, dass bei Vorhandensein einer Schadensanlage, die zum gleichen Schaden geführt hätte (sogenannte Reserveursache), die Schadensersatzpflicht auf die Nachteile beschränkt ist, die durch den früheren Schadenseintritt bedingt sind. Allerdings kann ein solcher Umstand zu Ungunsten des Geschädigten nur dann Beachtung finden, wenn der Schädiger zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen hat, dass er tatsächlich eingetreten wäre.
Rz. 152
Im Rahmen des Erwerbsschadens ist jeder Geschädigte dazu verpflichtet, die ihm verbliebene Arbeitskraft schadensmindernd einzusetzen. Andernfalls verletzt er die Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB. Als Ausfluss dieser Pflicht muss sich der Geschädigte zunächst darum bemühen, eine ihm zumutbare Stelle zur Verwertung der Restarbeitskraft zu finden. Verstößt der Geschädigte gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht, weil er es unterlässt, einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den Schaden anzurechnen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung der anrechenbaren fiktiven Einkünfte kommt dabei nicht in Betracht. In welchem Umfang die verbliebene Restarbeitskraft einzusetzen ist, richtet sich nach Zumutbarkeitskriterien wie z.B. Ausbildungsstand, bisherige Tätigkeit, Umfang der unfallbedingten Körperschäden. Im Rahmen der Schadensminderungspflicht kann ein Geschädigter auch dazu verpflichtet sein, eine Umschulung durchzuführen. Die dadurch verursachten Kosten sind selbstverständlich vom Schädiger zu ersetzen. Es ist Sache des Geschädigten, zu seinen Bemühungen um die Verwertung der ihm verbliebenen Restarbeitskraft substantiiert vorzutragen. Für den Vortrag, dass ein solches Bemühen von vornherein erfolglos gewesen wäre, ist der Geschädigte Darlegungs- und beweisbelastet. Wird ein Geschädigter allerdings von der Bundesagentur für Arbeit aufgrund seines Gesundheitszustandes für nicht vermittlungsfähig erachtet, muss er keine Eigeninitiative hinsichtlich der Aufnahme von Arbeit entfalten.
Rz. 153
Unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht kann der Geschädigte auch dazu verpflichtet sein, sich medizinischen Heilbehandlungsmaßnahmen zu unterziehen, um hierdurch seine Restarbeitskraft wiederherzustellen oder zu erhöhen. Auch bei unfallbedingten gesundheitlichen Störungen muss sich der Geschädigte grundsätzlich eine Anspruchskürzung wegen einer unterlassenen ärztlichen Behandlung gefallen lassen. Für die Zumutbarkeit einer stationären psychiatrischen oder mit belastenden Nebenwirkungen behafteten medikamentösen Behandlung zur Wiederherstellung oder jedenfalls Verbesserung der unfallbedingt beeinträchtigten Arbeitskraft wird allerdings die sichere Aussicht einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes gefordert.
Rz. 154
Während des Personenschadens erspart der Geschädigte grundsätzlich Aufwendungen dafür, dass er seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen muss. Es kann sich hierbei z.B. um Aufwendungen für die Fahrt zur Arbeit und/oder um ersparte Kosten für die Reinigung der Arbeitskleidung handeln. In der Praxis der Schadensregulierung werden die ersparten Aufwendungen häufig in Höhe eines Prozentsatzes vom Nettoeinkommen pauschaliert. Bei der Berechnung des Verdienstausfalles muss sich der Geschädigte bei einer verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit ersparte berufsbedingte Eigenaufwendungen (Fahrtkosten, Kleidungskosten, Verpflegungsmehrkosten etc.) in Höhe von 10 % seines Nettoeinkommens bzw. zumindest in Höhe von 5 % seines Nettoeinkommens anrechnen lassen.
Rz. 155
Als Alternative kann es sich anbieten, die ersparten Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ebenso wie die Besuchskosten gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG mit 0,25 EUR pro gefahrenen Kilometer zu beziffern. Eine solche Schätzung setzt voraus, dass die Entfernung des Wohnortes des Geschädigten von seiner Arbeitsstelle und die Kosten des Fahrzeugs bekannt sind. Andernfalls scheidet eine Schätzung aus.
Rz. 156
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Muster 9.32: Berechnung ersparter Aufwendungen
_________________________ Versicherung AG
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Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________
Schaden vom _________________________
Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben bei der Abrechnung der angemeldeten Ansprüche ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 10 % berücksichtigt. Dieser Wert ist deutlich zu hoch angesetzt. Zum einen wird in der Rechtsprechung lediglich eine Pauschale in Höhe von 5 % angesetzt (OLG Celle...