1. Rechtsprechung zugunsten des Geschädigten
Rz. 39
Unangemessene Verzögerungen bei der Schadenregulierung und unsachgemäße Rechtsverteidigung in einem Rechtsstreit ("Zermürbungstaktik") durch den Haftpflichtversicherer können ein höheres Schmerzensgeld begründen; es kann dem Versicherer jedoch nicht ein Vorwurf gemacht werden, wenn er von seinen prozessualen Rechten Gebrauch macht.
Rz. 40
Eine zögerliche Schadenregulierung und der unbegründete Vorwurf der Schwarzarbeit können bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zugunsten des Geschädigten berücksichtigt werden.
Rz. 41
Bestreitet der Unfallverursacher wider besseres Wissen seine Verantwortlichkeit, steht dem Geschädigten ein erhöhtes Schmerzensgeld zu.
Rz. 42
Allein der Umstand, dass sich ein Unfall mit einer geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung (Harmlosigkeitsgrenze) ereignet hat, schließt die tatsächliche Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO nicht aus.
Rz. 43
Fahrtkosten zu Ärzten, Attestkosten und Massagebehandlungen sind auch dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte im Rechtsstreit nach § 286 ZPO nicht beweisen kann, dass er unfallbedingte Verletzungen erlitten hat.
Rz. 44
Bei nicht medizinisch nachgewiesenen Verletzungsfolgen kann das Gericht gem. § 287 ZPO seine Überzeugung auf die Glaubhaftigkeit und Plausibilität des Klägervortrags stützen.
2. Rechtsprechung zugunsten des Schädigers
Rz. 45
Einem Unfall sind psychisch vermittelte gesundheitliche Primärschäden dann nicht mehr zuzurechnen, wenn bereits der Unfall selbst als Bagatelle einzustufen ist.
Rz. 46
Bei geringer Aufprallgeschwindigkeit (7–10 km/h) ist ein HWS-Schleudertrauma ausgeschlossen; diese Grundsätze sind nicht bei einem seitlichen Aufprall heranzuziehen.
Rz. 47
Zum Beweis einer Körperverletzung reicht die nicht näher bestimmte Diagnose eines ärztlichen Attestes nicht aus, wenn nur eine geringe Aufprallgeschwindigkeit vorlag.
Rz. 48
Der Geschädigte muss eine HWS-Verletzung nach dem strengen Beweismaßstab von § 286 ZPO beweisen. Eine Steilstellung der HWS besteht nach dem Stand der Wissenschaft bei 42 % der Normalbevölkerung.
Rz. 49
Es besteht kein haftungsrechtlicher Zusammenhang zwischen Erst- und Zweitunfall bei bloßer Verstärkung der allgemeinen Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen durch den Erstunfall.
Rz. 50
Wenn eine unfallbedingte Verletzung nicht nachgewiesen werden kann, sind auch Attestkosten nicht zu ersetzen.
Rz. 51
Schmerzensgeld kommt nicht bei Bagatellverletzungen in Betracht.
Rz. 52
Das Schmerzensgeld ist zu kürzen, wenn bereits eine Vorschädigung vorliegt.
Rz. 53
Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfallereignis und dem Auftreten von Beschwerden reicht zum Nachweis der Kausalität nicht aus.
Rz. 54
Die Feststellung der Unfallkausalität muss durch ein interdisziplinäres Sachverständigengutachten unter Anleitung eines medizinischen Sachverständigen erfolgen, der Unfallchirurg oder Orthopäde sein muss.
Rz. 55
Bei Tötung eines Haustieres durch Unfall kann kein Schmerzensgeld geltend gemacht werden.
Rz. 56
Schmerzensgeld ist einheitlich und nicht tagesgenau zu berechnen.