Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Fernanda Bremenkamp
Rz. 15
Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt schon seiner Konzeption nach unterhalb des gebotenen Sicherheitsstandards bleibt. Geboten sind bereits im Rahmen der Planung und Konzeption des Produkts diejenigen Maßnahmen, die zur Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Da ein Konstruktionsfehler in der Regel der gesamten Produktionsserie anhaftet, kann er zu Massenschäden und außerordentlich hohen Ersatzansprüchen führen.
Rz. 16
Maßstab für die Anforderungen an die Konstruktion ist der Stand der Wissenschaft und Technik zur Zeit des Inverkehrbringens. Hersteller und Konstrukteure sind verpflichtet, sich an den neuesten, ihnen zugänglichen technischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren und die Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die danach geeignet und genügend erscheinen, um Schäden zu verhindern. Dabei reicht es zwar in der Regel aus, wenn aktuelle DIN-Normen oder VDE-Bestimmungen erfüllt werden; der Hersteller muss aber eigenverantwortlich prüfen, ob die in normierten Sicherheitsstandards enthaltenen Erkenntnisse noch den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, die Mindeststandard sind. Auf technische Neu- und Weiterentwicklungen hat sich der Hersteller innerhalb einer angemessenen Zeitspanne einzustellen. Sicherheitstechnisch überlegene Alternativlösungen müssen erst eingesetzt werden, wenn sie zum Serieneinsatz reif sind. Für sogenannte Entwicklungsfehler, die sich im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts nicht erkennen oder noch nicht vermeiden ließen, trifft den Hersteller erst im Rahmen seiner Produktbeobachtungspflicht eine Verantwortung.
Rz. 17
Auch im Rahmen der konstruktiven Sorgfaltspflichten ist die Benutzererwartung maßgeblich, d.h. welchen Sicherheitsstandard der durchschnittliche Benutzer des Produkts vernünftigerweise erwarten darf. In der Regel reicht es aus, dass die Produkte bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu einer Gefahrenquelle werden. Denn die Erwartung des Benutzers geht im Allgemeinen (nur) dahin, dass das Produkt so konstruiert ist, dass es bei bestimmungsgemäßer Verwendung unter Beachtung der Gebrauchsanleitung gefahrlos benutzt werden kann. Naheliegendem Fehlgebrauch ist, soweit technisch möglich und zumutbar, jedoch bereits im Rahmen der Konstruktion zu begegnen. Eine Verpflichtung, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die über den unverzichtbaren Mindeststandard hinausgehen, kann sich zudem aus der, die Verkehrserwartung beeinflussenden, Preisgestaltung ergeben; umgekehrt braucht ein Kleinwagen nicht dieselbe Sicherheit aufzuweisen wie eine Limousine der Luxusklasse.
Rz. 18
Zu den Sorgfaltspflichten im Konstruktionsbereich gehört die Prüfung der Zulieferprodukte: Der Hersteller des Endprodukts ist verpflichtet, sich davon zu überzeugen, dass zugelieferte Komponenten für die Weiterverarbeitung geeignet sind. Durch Zielvorgaben an seinen Zulieferer hat er sicherzustellen, dass das Zulieferprodukt den relevanten Funktionsanforderungen genügt.
Rz. 19
Ein Konstruktionsfehler kann auch in der falschen Wahl des Materials begründet sein, etwa wenn das Material nicht die nötige Druckfestigkeit, Belastbarkeit, Wasserdichte, Temperaturbeständigkeit oder den erforderlichen Härtegrad aufweist bzw. in unnötiger Weise gefährlich ist. Ein Konstruktionsfehler kann weiter in einer unzulänglichen Materialverbindung – Verschraubung, Verklebung, Rast- oder Schließmechanik – liegen. Zum Konstruktionsbereich gehört schließlich die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Verpackungen oder Behältnisse, in denen die Ware in den Verkehr gebracht wird, bei den Empfängern oder den mit ihrem Transport Befassten nicht zu Schädigungen führen; hierzu zählt die kindersichere Verpackung gefährlicher Produkte, jedenfalls von Arzneimitteln.