Björn Retzlaff, Alexander Madorski
Rz. 44
Die Rechte des Streitverkündeten, der dem Prozess beigetreten ist, entsprechen denen des Nebenintervenienten. Beide werden auch als Streithelfer bezeichnet.
Der Streitverkündete wird durch seinen Beitritt nicht Prozesspartei, sondern er ist ein Dritter, der eine der Parteien unterstützt. Er kann daher in der Sache weder verurteilt werden noch kann er für sich eine Verurteilung des Gegners erwirken. Auch können ihm die Kosten der weiteren Prozessbeteiligten oder Gerichtskosten nicht auferlegt werden. Weil er nicht Partei ist, kann er auch Zeuge sein. Als Beteiligter des Prozesses hat er einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Er kann sämtliche Prozesshandlungen für die unterstützte Hauptpartei vornehmen. So kann er Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen, Tatsachen behaupten und bestreiten, Beweisanträge stellen, einem Dritten den Streit verkünden, durch sein Auftreten in der mündlichen Verhandlung den Erlass eines Versäumnisurteils abwenden oder im selbstständigen Beweisverfahren für die unterstützte Partei den Antrag auf Fristsetzung zur Klageerhebung nach § 494a ZPO stellen sowie Rechtbehelfe oder Rechtsmittel für die Hauptpartei einlegen. Stellt sich die Frage, ob das Vorbringen des Streithelfers verspätet ist, ist auf die Hauptpartei und ihr Verschulden, nicht auf den Streithelfer abzustellen. Allerdings kann sich ein eigenes Verschulden der Prozesspartei bereits daraus ergeben, dass sie dem Streithelfer allein die Prozessführung überlässt.
Rz. 45
Will der Streithelfer ein Rechtsmittel für die Hauptpartei einlegen, ist dies nur innerhalb der für die Hauptpartei geltenden Rechtsmittelfrist möglich. Dabei wird das Rechtsmittel stets für die Hauptpartei eingelegt, die weiterhin Partei des Rechtsstreits auch dann bleibt, wenn sie ihrerseits kein Rechtmittel einlegt. Allerdings kann der Streithelfer das Rechtsmittel nicht gegen den erklärten oder erkennbaren Willen der Partei einlegen. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist die Höhe der Beschwer der Hauptpartei maßgebend. Legen die Hauptpartei und der Streithelfer jeweils ein Rechtsmittel ein, handelt es sich um ein einheitliches Rechtsmittel, soweit die Anträge übereinstimmen. Verhandelt die Hauptpartei in der mündlichen Verhandlung nicht, gilt sie als durch den Streithelfer vertreten. Wenn die Hauptpartei ihr Rechtsmittel zurücknimmt, bedeutet das nicht, dass sie mit dem Rechtsmittelverfahren des Streithelfers nicht einverstanden ist. Dessen Rechtsmittel führt daher das Verfahren fort. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Wille der Prozesspartei, das Verfahren insgesamt abzuschließen, erkennbar ist. Bei völliger Untätigkeit der Prozesspartei kann der Nebenintervenient sowohl das von ihm als auch das von der Partei eingelegte Rechtsmittel beschränken oder zurücknehmen.
Rz. 46
Den Möglichkeiten des Streithelfers, den Prozess der Hauptparteien zu beeinflussen, sind aber auch Grenzen gesetzt. Seine Befugnisse enden dort, wo er sich bei Wahrnehmung seiner Rechte in Widerspruch zur unterstützten Partei stellen würde. Der Streithelfer ist nach § 67 ZPO zur wirksamen Vornahme von Prozesshandlungen nur befugt, wenn sie Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei nicht widersprechen. Ein Widerspruch der Hauptpartei kann sich dabei sowohl aus einer ausdrücklichen Erklärung als auch aus ihrem Gesamtverhalten im Prozess ergeben. Bloße Untätigkeit (Unterlassen) der Prozesspartei hindert den Nebenintervenienten (Streitverkündeten) nicht, Prozesshandlungen vorzunehmen. Der Streithelfer kann für die Partei mit oder ohne ihren Willen, nicht aber gegen ihren Willen handeln. Eine wirksam vorgenommene Handlung bleibt im Zweifel wirksam. Steht ein möglicher Widerspruch nicht mit der nötigen Eindeutigkeit fest, ist die Prozesshandlung als wirksam anzusehen. Ein Streithelfer soll sogar ein Geständnis der Hauptpartei widerrufen können, sofern diese nicht widerspricht und das Geständnis selbst gem. § 290 ZPO widerrufen könnte. Lässt der Streitverkünder bestimmte Erklärungen des Streithelfers durch seinen Widerspruch nicht zu, riskiert er, dass das im laufenden Prozess ergangene Urteil für den Folgeprozess nicht die volle Interventionswirkung entfaltet.
Den Prozessgegenstand darf der Streithelfer nicht ändern, es sei denn, die Zustimmung der Hauptpartei steht positiv fest. Eine besondere Konstellation ergibt sich im Falle des Beitritts im Mahnverfahren. Bleibt die unterstützte Hauptpartei untätig, stellt dies kein Hindernis für eigene Prozesshandlungen des Streithelfers dar. Er darf Prozesshandlungen so lange vornehmen, wie sich ein – ausdrücklich erklärter oder aus dem Gesamtverhalten im Prozess zu entnehmender – entgegenstehender Wille der Hauptpartei nicht feststellen lässt. Demgegenüber muss das Interesse der antragstellenden Partei, im Mahnverfahren schnell und kostengünstig einen Titel zu erlangen, zurücktreten. Im Mahnverfahren ist nur zu prüfen, ob die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen des Strei...