Björn Retzlaff, Alexander Madorski
a) Zeitpunkt des Beitritts
Rz. 78
Ein Rechtsstreit muss schon oder noch anhängig sein. Der Beitritt kann auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit dem Ziel ihrer Wiedereröffnung gem. § 156 ZPO erfolgen. Es ist zudem möglich, in der Berufungs- oder in der Revisionsinstanz beizutreten. Nach Urteilszustellung und vor Rechtsmitteleinlegung erfolgt der Beitritt noch in der unteren Instanz. Wird der Beitritt mit dem Rechtsmittel verbunden, § 66 Abs. 2 ZPO, muss der beim Rechtsmittelgericht einzureichende Schriftsatz sowohl die Voraussetzungen des § 70 ZPO als auch des § 519 ZPO bzw. des § 549 ZPO erfüllen. Rechtsmittel i.S.d. § 66 Abs. 2 ZPO sind auch Rechtsbehelfe wie der Widerspruch gegen den Mahnbescheid, der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid und der Widerspruch gem. § 924 ZPO im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Der Nebenintervenient, der dem Rechtsstreit bis zum Eintritt der Rechtskraft nicht formgerecht beigetreten ist, kann den Beitritt allerdings nicht mehr mit einem Wiedereinsetzungsgesuch nachholen. Die dem Streithelfer gewährte Möglichkeit, die Beitrittserklärung mit der Einlegung des Rechtsmittels zu verbinden, erweitert nicht den Zeitraum, in dem die Beteiligung am Rechtsstreit erklärt werden kann. Die Regelung ändert nichts daran, dass Beitritt und Rechtsmittel zwei selbstständige Rechtshandlungen bleiben, deren Wirksamkeit je für sich gesondert zu beurteilen ist. Der Regelungsgehalt der §§ 66 Abs. 2, 70 Abs. 1 ZPO erschöpft sich darin, dem Nebenintervenienten die Beteiligung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu eröffnen, auch in der Weise, sie mit einem eigenen Rechtsmittel zu verbinden.
Rz. 79
Die Nebenintervention wirkt ab dem Zeitpunkt des Beitritts für die gesamte Dauer des Rechtsstreits. Ein in der ersten Instanz erklärter Beitritt ist auch in der Rechtmittelinstanz wirksam. Der Beitritt endet durch seine Rücknahme, durch rechtskräftige Zurückweisung nach § 71 ZPO, durch Klagerücknahme, durch übereinstimmende Erledigungserklärung, durch Prozessvergleich, durch rechtskräftiges Urteil, durch Ausscheiden der unterstützen Partei aus dem Prozess oder durch Erlangung der Parteistellung infolge einer Rechtsnachfolge der unterstützten Partei.
b) Beitrittserklärung
Rz. 80
Der Beitritt des Streithelfers erfolgt durch die Einreichung eines Schriftsatzes beim Prozessgericht, § 70 ZPO. Wird der Beitritt mit der Einlegung eines Rechtsmittels verbunden, ist der Schriftsatz beim Rechtsmittelgericht einzureichen. Der beiden Parteien zuzustellende Schriftsatz muss enthalten:
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die Bezeichnung der Parteien und des Rechtsstreits, |
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die bestimmte Angabe des Interesses, das der Nebenintervenient hat, |
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die Erklärung des Beitritts. |
Rz. 81
Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze in einem Zivilprozess, §§ 70 Abs. 2, 129, 130 ff. ZPO. Ob der Schriftsatz des Beitretenden diesen Anforderungen genügt, wird nicht von Amts wegen geprüft. Die Mängel sind gem. § 295 ZPO heilbar. Rügt eine Prozesspartei das Vorliegen der Voraussetzungen, findet eine Überprüfung gem. § 71 ZPO statt. Während der Beitretende in seinem Beitrittsschriftsatz das rechtliche Interesse nur angeben muss, muss er in diesem Prüfungsverfahren sein Interesse glaubhaft machen, § 71 Abs. 1 S. 2 ZPO.
Rz. 82
Der Beitritt ist eine Prozesshandlung, so dass die von Amts wegen zu prüfenden Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Der Nebenintervenient muss parteifähig, prozessfähig und postulationsfähig sein. Lässt sich der Beitretende vertreten, muss Vertretungsmacht vorliegen. Im Anwaltsprozess kann nur der Rechtsanwalt wirksame Prozesshandlungen vornehmen. Fehlen die persönlichen Prozessvoraussetzungen, so ist die Nebenintervention durch Beschluss als unzulässig zurückzuweisen. Dieser Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, §§ 128 Abs. 4, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Möglich ist auch, dass über die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen auf Antrag einer Prozesspartei gem. § 71 ZPO entschieden wird. Dann ist dieses Verfahren vorrangig. Die besonderen Voraussetzungen der Nebenintervention sind immer nur auf Antrag einer Hauptpartei und nur im Verfahren nach § 71 ZPO zu prüfen; dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat.
c) Rechtliches Interesse des Nebenintervenienten
Rz. 83
Nach § 66 Abs. 1 ZPO kann nur derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Das ist der Fall, wenn der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits zumindest mittelba...