Björn Retzlaff, Alexander Madorski
Rz. 97
Die Frist zur Begründung der Berufung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des Urteils. Ein Berichtigungsbeschluss hat auf den Lauf der Fristen keinen Einfluss. In Bausachen ist es wegen der Komplexität des Sachverhalts und der einzuholenden Informationen häufig schwierig, die Frist einzuhalten. Nicht selten bedarf es der Einholung eines Privatgutachtens, um die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu klären. Der Berufungsführer muss aber beachten, dass die Fristverlängerung gem. § 520 ZPO an strenge Voraussetzungen geknüpft ist. Eine erstmalige Verlängerung der Begründungsfrist ist ohne Einwilligung des Gegners um bis zu einem Monat möglich, wenn nach der freien Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger besondere Gründe darlegt. Allerdings besteht das Risiko, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines Ermessens eine beantragte Verlängerung der Begründungsfrist versagt. Konnte der Berufungsführer auf die Gewährung der Fristverlängerung vertrauen, kann er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Dies wird aber nur dann Erfolg haben, wenn er die Fristverlängerung mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten durfte. Das ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO gestützt wurde. Zu den erheblichen Gründen im Sinne dieser Vorschrift zählen etwa die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten, dessen urlaubsbedingte Abwesenheit, Erkrankung, ausstehende Rücksprache mit dem Mandanten bzw. Informationsbeschaffung. Eine Partei kann auf eine Fristverlängerung auch dann vertrauen, wenn diese unter Hinweis auf das erteilte Einverständnis des Gegners erstmalig beantragt wird, ohne dass erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO dargetan sind. Über die erstmalige Verlängerung um einen Monat hinaus darf die Begründungsfrist nur mit Einwilligung des Gegners verlängert werden, § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO. Dies gilt auch dann, wenn die erste Verlängerung um einen Monat mit dem Einverständnis des Gegners erfolgte.
Rz. 98
Der Lauf der Begründungsfrist beginnt auch dann, wenn der Berufungsführer wegen Kostenarmut um Prozesskostenhilfe nachsucht und deshalb an der Einhaltung der Frist gehindert ist. Ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags rechnen musste, weil er sich für bedürftig i.S.d. §§ 114 ff. ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden konnte. Gleiches gilt hinsichtlich der Frist zur Begründung des Rechtsmittels. Die Verbindung von Prozesskostenhilfegesuch und Rechtsmitteleinlegung bedarf der sorgfältigen Formulierung. Die Einlegung oder auch die Begründung eines Rechtsmittels unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist unzulässig. Der Rechtsmittelführer muss bei grundsätzlich zulässiger Verbindung eines Rechtsmittels oder seiner Begründung mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe alles vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, er wolle lediglich eine "künftige" Prozesshandlung "ankündigen" und sie von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig machen. Sind aber die gesetzlichen Voraussetzungen an eine Berufungsschrift oder Berufungsbegründung erfüllt, kommt die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufungsbegründung bestimmt, allenfalls dann in Betracht, wenn dies den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zu entnehmen ist. Da im Allgemeinen keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, ist deshalb im Zweifel anzunehmen, dass ein inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügender, von einem Rechtsanwalt unterzeichneter Schriftsatz, als formelle Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein entgegenstehender Wille des Rechtsmittelführers deutlich erkennbar wird. Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Berufungseinlegung bzw. Berufungsbegründung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche und zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die z.B. darin gesehen werden kann, dass der entsprechende Schriftsatz selbst ausdrücklich als "Entwurf einer Berufungsbegründung" bezeichnet wird.
Rz. 99
Grundsätzlich sind folgende Fälle zu unterscheiden:
Rz. 100
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1. Fall: Der Rechtsmittelführer legt einschränkungs- und bedingungslos Berufung ein ... |