Björn Retzlaff, Alexander Madorski
Rz. 50
Für die Frage, ob eine Streitverkündung Interventionswirkung im Folgeprozess entfaltet, ist danach zu unterscheiden, ob der Streitverkündete einer der Parteien beigetreten ist oder nicht. Ist der Beitritt erfolgt, so ist die Zulässigkeit der Streitverkündung im Folgeprozess nicht mehr zu prüfen. Die Interventionswirkung gem. §§ 74, 68 ZPO greift nur dann nicht ein, wenn die Nebenintervention nach § 71 ZPO rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Tritt der Streitverkündeter hingegen nicht bei, setzt die Interventionswirkung im Folgeprozess nur dann ein, wenn die Streitverkündung zulässig war. Die Zulässigkeit der Streitverkündung wird dazu im Folgeprozess geprüft.
Das gilt allerdings nicht für die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung. Hierfür ist eine zulässige Streitverkündung auch dann erforderlich, wenn der Streitverkündete dem Rechtsstreit beigetreten ist.
Rz. 51
Der Streitverkündete wird wie der Nebenintervenient im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen hat, unrichtig entschieden sei. Er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht worden sind, §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO.
Rz. 52
Es muss ein rechtskräftiges Sachurteil zum Nachteil der unterstützten Partei vorliegen. Einem Vergleich oder einem Prozessurteil kommt hingegen keine Interventionswirkung zu. Soll der Prozessvergleich auch für einen Streithelfer bindend sein, muss dieser der Vereinbarung beitreten. Auch verhindert die Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärung den Eintritt der Interventionswirkung.
Rz. 53
Der Inhalt und Umfang der Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf den Entscheidungssatz, die im Tenor ausgesprochene Rechtsfolge, sondern erstreckt sich auf die tragenden Feststellungen und deren rechtliche Beurteilung im Ersturteil. Was zu den tragenden Feststellungen des Ersturteils gehört, beurteilt sich danach, worauf die Entscheidung objektiv bei zutreffender Rechtsauffassung beruht. Auf die Sicht des Gerichts des Erstprozesses kommt es nicht an. Feststellungen, die für die rechtliche Begründung im Erstprozess nicht von Bedeutung sind (sog. überschießende Feststelllungen) nehmen an der Interventionswirkung nicht teil.
Rz. 54
Feststellungen, die der Streithelfer nicht beeinflussen konnte, haben keine Bindungswirkung. Der Streithelfer muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in dem er sich zur Zeit seines Beitritts befindet. Soweit der Streithelfer das Prozessgeschehen nicht mehr ändern konnte, kann ihm das im Folgeprozess nicht entgegengehalten werden. Eine Bindungswirkung kann auch insoweit nicht eintreten, als er sich durch seinen Vortrag im Erstprozess in Widerspruch zu der unterstützten Partei gesetzt hätte. Das Gleiche gilt, wenn die Hauptpartei Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die dem Nebenintervenienten unbekannt waren, absichtlich oder grob fahrlässig nicht vorgebracht hat. Im Folgeprozess muss der Streithelfer die mangelhafte Prozessführung durch die unterstützte Prozesspartei darlegen und beweisen. In jedem Fall muss der Streitverkündete im Folgeprozess natürlich darlegen und beweisen, dass der ihm verwehrte Vortrag im Erstprozess zu einer anderen Entscheidung geführt hätte.