Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
a) Mehrheitserfordernisse bei der Beschlussfassung
Rz. 727
Soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, sind Gesellschafterbeschlüsse unter Zustimmung aller stimmberechtigten Gesellschafter zu fassen (§§ 161 Abs. 2, 109 Abs. 3 HGB). Entscheidet nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen, ist nach dem Gesetz diese im Zweifel die Kapitalmehrheit (vgl. § 709 Abs. 3 BGB), so wie dies auch schon bisher in den Gesellschaftsverträgen vorgesehen wurde ("kapitalkontenorientiertes Stimmrecht").
Rz. 728
Lässt der Gesellschaftsvertrag Beschlüsse mit Stimmenmehrheit zu, wie es regelmäßig der Fall ist, sind bestimmte Grenzen (v.a. zum Schutz von Minderheiten) zu beachten. Zunächst sind Eingriffe (der Mehrheit) in den Kernbereich der Gesellschafterposition nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich. Der genaue Umfang des Kernbereichs ist streitig, zu ihm gehören jedenfalls Eingriffe in das Stimmrecht, Gewinnbezugsrecht, Geschäftsführungsrecht, Kontrollrecht, Recht auf Bezug des Liquidationserlöses, Entzug und Begründung von Sonderrechten.
Rz. 729
Daneben ist der sog. Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten. Dieser besagt, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag – sei es auch durch dessen Auslegung – eindeutig ergeben muss, dass der jeweils infrage stehende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll. Einer Auflistung der betroffenen Beschlussgegenstände in einer Mehrheitsklausel bedarf es nach der aktuellen Rspr. des BGH nicht (mehr), so dass es im Ergebnis auf die Bestimmbarkeit ankommt. Nach dieser ersten Kontrolle unterliegt der Mehrheitsbeschluss auf zweiter Ebene einer inhaltlichen Wirksamkeitsprüfung. Auf dieser Stufe wird geprüft, ob der Beschluss in "schlechthin unverzichtbare" oder in "relativ unentziehbare" Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Gesellschafters eingreift. Bei einem "relativ unentziehbaren" Mitgliedschaftsrecht handelt es sich um ein solches, das nur mit (möglicherweise antizipierter) Zustimmung des Betroffenen entzogen werden kann. Ein unzulässiger Eingriff ist dann gegeben, wenn sich die Gesellschaftermehrheit treupflichtwidrig über beachtenswerte Belange der Minderheit hinwegsetzt. Einen entsprechenden Nachweis hat die betroffene Minderheit zu führen.
Rz. 730
Üblicherweise unterscheiden Gesellschaftsverträge zwischen Beschlüssen, die mit einfacher Mehrheit, mit qualifizierter Mehrheit oder mit den Stimmen aller Gesellschafter zu fassen sind, und benennen die jeweiligen Beschlussgegenstände. Welche Beschlüsse jeweils mit welcher Mehrheit gefasst werden sollen, hängt von den Umständen des Einzelfalls und der Interessenlage der Gesellschafter ab. Im Hinblick auf die Otto-Entscheidung wird auch vorgeschlagen, nur zu bestimmen, welche Beschlussgegenstände nicht der grds. geltenden Mehrheitsentscheidung unterliegen sollen. Es sollte in jedem Fall genau formuliert werden, welche Mehrheit gemeint ist, nämlich die der abgegebenen Stimmen, aller in der Gesellschaft vorhandenen Stimmen oder die Stimmen der anwesenden und vertretenen Gesellschafter.
Rz. 731
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Muster 9.33: Mehrheitserfordernisse bei der Beschlussfassung
Gesellschafterbeschlüsse werden mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen der anwesenden und vertretenen, nicht vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafter gefasst, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz sehen zwingend eine andere Mehrheit vor. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen.
Rz. 732
Darüber hinaus ist zu regeln, wie Stimmenthaltungen berücksichtigt werden. Mangels vertraglicher Bestimmung sind Enthaltungen als Gegenstimmen zu werten.
b) Stimmrechtsausschluss
Rz. 733
Das Gesetz schließt lediglich das Stimmrecht des Gesellschafters einer OHG in den Fällen von § 118 Abs. 2 HGB (Geltendmachung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter, der das Wettbewerbsverbot verletzt hat), § 116 Abs. 5 HGB und § 124 Abs. 5 HGB (Beschlussfassung betreffend die Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis) sowie § 134 HGB (Ausschluss eines Gesellschafters) aus.
Rz. 734
Für die KG gibt es – abgesehen von der Verweisung auf das Recht der OHG – keine eigenständige gesetzliche Regelung zur Frage des Ausschlusses des Stimmrechts eines Gesellschafters bei Interessenkollision zwischen persönlichem Interesse und Gesellschaftsinteresse. Auch hier gilt der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten kann. Allerdings ist es empfehlenswert, im Gesellschaftsvertrag zu best...