Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
aa) Grundsatz der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis
Rz. 225
Nach § 715 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. (vormals: § 709 Abs. 1 BGB a.F.) ist gesetzlicher Regelfall der Geschäftsführung bei der GbR die gemeinschaftliche Geschäftsführung durch alle Gesellschafter. Damit ist für jede vorzunehmende Geschäftsführungsmaßnahme die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Eine Ausnahme gilt im Fall der Notgeschäftsführung, die durch das MoPeG in § 715a BGB n.F. erstmals ausdrücklich normiert ist. In der Praxis bereitet der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis vor allen Dingen dann Probleme, wenn durch die Verweigerung der Zustimmung auch nur eines Gesellschafters die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben bei der Gesellschaft praktisch lahmgelegt wird. Eine Verpflichtung zur Zustimmung kann sich nur in besonders dringenden Fällen ergeben. Dann ist eine Leistungsklage auf Zustimmung möglich. Nur bei existenziellen Fragen kann die Treuwidrigkeit dazu führen, dass die Zustimmung gar nicht erforderlich ist. Aufgrund der Dispositionsfreiheit im Innenverhältnis (§ 708 BGB n.F.) können die Gesellschafter trotz bestehender Gesamtgeschäftsführung auch eine Mehrheitsentscheidung über die konkrete Maßnahme vereinbaren.
Wie sich die Mehrheit berechnet, ob nach den vereinbarten Beteiligungsverhältnissen (§ 709 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F.), dem Verhältnis der vereinbarten Werte der Beiträge (§ 709 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F.) oder nach Köpfen (§ 709 Abs. 3 Satz 3 BGB n.F.), ist den Gesellschaftern überlassen. Ebenso vereinbar ist ein Erfordernis bestimmter qualifizierter Mehrheiten. Die überstimmten Gesellschafter sind zur Mitwirkung am Mehrheitsbeschluss verpflichtet.
bb) Gesamtgeschäftsführungsbefugnis mehrerer aber nicht aller Gesellschafter
Rz. 226
Eine weitere Form der gemeinschaftlichen Geschäftsführung ist die Übertragung auf mehrere Gesellschafter, die allerdings nicht einzeln zu handeln befugt sind, sondern nur als Gruppe. Die übrigen Gesellschafter sind dann von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Für die Gruppe der so qualifizierten geschäftsführenden Gesellschafter gelten gem. § 715 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. die Bestimmungen zur Gesamtgeschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter entsprechend, soweit nicht gesellschaftsvertraglich anderes vereinbart ist.
cc) Einzelgeschäftsführungsbefugnis
Rz. 227
Die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter erlaubt es auch im Recht der GbR, eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag vorzusehen. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, die Geschäftsführung identisch zur gesetzlichen Regelung der OHG zu gestalten. Es kommt sowohl die Einzelgeschäftsführung aller, einiger oder auch nur eines einzelnen Gesellschafters in Betracht. Steht die Einzelgeschäftsführungsbefugnis mehr als einem Gesellschafter zu, so sieht § 715 Abs. 4 Satz 1 BGB n.F. (vormals: § 711 Satz1 BGB a.F.) vor, dass die Mitgeschäftsführer der Vornahme eines Rechtsgeschäfts widersprechen können. Erfolgt ein solcher Widerspruch, hat die Maßnahme gem. § 715 Abs. 4 Satz 2 BGB n.F. (vormals: § 711 Satz 2 BGB a.F.) zu unterbleiben. Die nicht zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter besitzen das Widerspruchsrecht nicht. Das Widerspruchsrecht kann nur konkret ausgeübt werden, nicht jedoch pauschal für eine unbestimmte Zahl möglicher Maßnahmen. Stehen einzelne Maßnahmen allerdings in einem Zusammenhang zueinander, so ist ein genereller Widerspruch gegen die Gesamtangelegenheit möglich.
Beim Widerspruch handelt es sich selbst wiederum um eine Geschäftsführungsmaßnahme, sodass hinsichtlich der Zulässigkeit des Widerspruchs die gleichen Erwägungen gelten wie bei der Vornahme einer Geschäftsführungshandlung selbst. Ist damit ein Widerspruch offenbar treuwidrig, ist er als unbeachtlich zu behandeln. Der Beurteilungsspielraum des geschäftsführenden Gesellschafters ist damit i.R.d. Gesellschaftszwecks denkbar weit.
Erfolgen kann der Widerspruch nur vor Ausführung der Geschäftsführungsmaßnahme. Erfolgt er später, geht das Verbot ins Leere. Daraus ergibt sich allerdings umgekehrt, dass eine Verpflichtung des handelnden Gesellschafters besteht, seine Mitgeschäftsführer zu unterrichten. Jedenfalls bei solchen Geschäften, bei denen eine Unterrichtung zu erwarten ist, muss diese auch erfolgen. Wird diese Unterrichtungspflicht verletzt, entsteht auch ein nachträgliches Widerspruchsrecht, das bei Ausübung der vorgenommenen Geschäftsführungsmaßnahme die Rechtfertigung nimmt. Wird eine Maßnahme trotz Widerspruchs durchgeführt, stellt dies eine Pflichtverletzung ggü. der Gesellschaft dar, die ggf. zu Schadensersatzansprüchen führt. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis zieht dies allerdings nicht nach sich.
Rz. 228
Ebenso wie die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einzelne Gesellschafter grds. der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter unterliegt, kann auch das Widerspruchsrecht im Einzelnen im Gesellschaftsvertrag geregelt und abbedungen werden. So besteht die Möglichkeit, das Widerspruchsrecht gänzlich auszuschließen, es einzuschränken oder es nur...