Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 137
Der Gesellschaftszweck ist ferner prägend für die den Gesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis erwachsenden Pflichten. Alle gesellschaftsvertraglichen Pflichten, gleich ob diese ausdrücklich im Vertrag geregelt oder konkludent aus dem Gesellschaftszweck abgeleitet sind, setzen voraus, dass sie dem Gesellschaftszweck zu dienen geeignet sind. Eine Gesellschafterverpflichtung, die mit dem verfolgten Gesellschaftszweck nicht im Ansatz etwas zu tun hat, kann es deshalb grds. nicht geben. Die Frage ist in solchen Fällen, ob die Divergenz durch eine Änderung der Verpflichtung zu korrigieren ist oder als konkludente Änderung des Gesellschaftszwecks zu verstehen ist.
Rz. 138
Eine wesentliche Gesellschafterpflicht ist in der Praxis nicht selten die Pflicht zu Beitragsleistungen, auch wenn die neue Legaldefinition des § 705 Abs. 1 BGB n.F. – anders als die Vorgängerregelung in § 705 BGB a.F. – diese Pflicht nicht mehr explizit erwähnt, da sie nach der Gesetzesbegründung kein charakteristisches Merkmal der GbR ist. Wie die Begriffe "Beitrag" und "Einlage" zu unterscheiden sind, soll hier nicht problematisiert werden. Das Bestehen von Beitragsverpflichtungen auf Gesellschafterseite führt nicht zwangsläufig dazu, die Gesellschaft auch als Vermögensträger und damit als rechtsfähige Gesellschaft anzusehen. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die von den Gesellschaftern an die Gesellschaft zu erbringenden Beiträge Vermögenstransfers auf die Gesellschaft voraussetzen. Wegen der Zweckgebundenheit der Beiträge ist es wohl auch zutreffend, Leistungsstörungen im Beitragsschuldverhältnis nicht nach den für synallagmatische Leistungspflichten geltenden Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, sondern in erster Linie nach den Normen des Gesellschaftsrechts zu regeln. Maßstab der Notwendigkeit einer Beitragsleistung wie auch deren Ordnungsmäßigkeit ist allein die fortbestehende Möglichkeit der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks.
Rz. 139
Die gleichen Überlegungen gelten auch für die übrigen Pflichten der Gesellschafter. Die Frage, was alles zu den vertraglichen Treuepflichten gehört und wie der Begriff zu definieren ist, soll hier nicht näher behandelt werden. Ganz gleich, ob es um die Amtspflichten eines Gesellschaftsorgans, die Organisationsobliegenheiten des Gesellschafters oder das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung bei Gestaltungsrechten geht, kann gesellschaftstreues Verhalten außer auf den Gedanken der vertraglichen Treuepflicht auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze gestützt werden. Gleichwohl sind auch sie Ausdruck des Treuegedankens, der insoweit nur keine besonders gesellschaftsrechtliche Komponente enthält. Die Grenzen nämlich, wo Verhalten rechtsmissbräuchlich und damit den allgemeinen Treuegedanken widersprechend wird und wo noch die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zur zweckorientierten Ausübung der Gestaltungsrechte liegt, ist fließend. Bei der Frage, ob die gesellschaftsrechtliche Bindung die Grenze treuwidrigen Verhaltens einfach nach oben setzt oder ob neben die allgemeine Treuepflicht eine besondere gesellschaftsvertragliche tritt, handelt es sich eher um einen rechtsdogmatischen als um einen rechtspraktischen Streit.
Rz. 140
Die Treuepflichten bestehen selbstverständlich nur so lange, wie die Gesellschaft bzw. die Mitgliedschaft des Gesellschafters in der Gesellschaft bestehen. Diese Aussage ist im Grunde selbstverständlich. Fraglich ist nur, inwieweit im Rahmen der Kündigung der Mitgliedschaft eines Gesellschafters einer rechtsfähigen Gesellschaft (§ 725 BGB n.F.) bzw. der Kündigung der nicht rechtsfähigen Gesellschaft durch einen Gesellschafter (§ 740a Abs. 1 Nr. 4 BGB n.F.) Treuepflichten dazu verpflichten können, bestimmte Gestaltungsrechte nicht oder nicht in der gewählten Form auszuüben. So bestimmt § 725 Abs. 5 BGB n.F. (ggf. i.V.m. § 740a Abs. 3 BGB n.F.) ausdrücklich eine Schadensersatzpflicht für den Fall der Kündigung zur Unzeit, erklärt die Kündigung selbst allerdings nicht für unwirksam. Der BGH hat auf der Grundlage des alten Rechts die Geltung von Treuepflichten auch über den Kündigungszeitpunkt einer Gesellschaft hinaus angewandt, indem er den Erben eines Gesellschafters dazu verpflichtete, anstelle der Liquidation der Gesellschaft dem eigenen Ausscheiden gegen Abfindung zuzustimmen, ferner im Fall der drohenden Insolvenz eines Gesellschafters die Verpflichtung zur Mitwirkung einer Vertragsänderung dahin gehend, dass der Ausschluss des Gesellschafters und die Fortsetzung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern vereinbart wird. Diese Rspr. dürfte auch unter dem MoPeG weiterhin Geltung beanspruchen, zumal der Tod eines Gesellschafters und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters nach § 723 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3. BGB n.F. grds. nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft, sondern nur noch zum Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters führen.