Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 259
Bei der Frage danach, wie Gesellschafterbeschlüsse zu behandeln und ob sie überhaupt zulässig sind, ist nach ihrem jeweiligen Gegenstand zu unterscheiden. Es können dabei entsprechend der bisherigen Kautelarpraxis drei Kategorien von Entscheidungsgegenständen unterschieden werden.
aa) Geschäftsführungsangelegenheiten
Rz. 260
Beschlussfassungen in Geschäftsführungsangelegenheiten können sowohl dann zu fällen sein, wenn sich die Gesellschaft eine Gesamtgeschäftsführung mit Mehrheitsprinzip gegeben hat, als auch dann, wenn sie die Beschlussfassung über bestimmte, regelmäßig in besonderer Art hervorgehobene Geschäftsführungsangelegenheiten allen Gesellschaftern vorbehalten hat. Von letzterer Variante wird in Anlehnung an die Handelsgesellschaften oftmals dergestalt Gebrauch gemacht, dass bestimmte Kataloge von Geschäften, die sich durch ihre Art, ihre Dauerhaftigkeit oder ihren Wert im Einzelfall besonders herausheben, vor Vornahme der Zustimmung der einfachen oder qualifizierten Mehrheit der Gesellschafter bedürfen. Nach der dispositiven Neuregelung des § 715 Abs. 2 BGB n.F. ist in solchen Fällen bei fehlender Regelung im Gesellschaftsvertrag ein Beschluss aller Gesellschafter erforderlich.
Hinweis
Zu beachten ist, dass in allen Angelegenheiten, bei denen besondere Regeln zur Beschlussfassung der Gesellschafter fehlen, kein allgemeines Weisungsrecht der Gesellschafter ggü. der Geschäftsführung besteht. Je genauer die Beschlusszuständigkeit der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag geregelt ist, desto eher lässt sich Streit darüber vermeiden. Die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen in Geschäftsführungsangelegenheiten ist praktisch nicht begrenzt. Die Gesellschafter sind verpflichtet, in diesen Angelegenheiten Entscheidungen grds. im Interesse der Gesellschaft zu treffen. Sie haben hierbei denselben Ermessensspielraum, den auch die Geschäftsführer bei ihrer Entscheidungsfindung haben. Grds. besteht eine Stimmpflicht.
bb) Sonstige gemeinsame Gesellschaftsangelegenheiten
Rz. 261
Neben den Geschäftsführungsangelegenheiten gibt es bei werbenden Gesellschaften einen Bereich der Gesellschaftsangelegenheiten, der selbst nicht Vertragsänderung ist, gleichwohl aber in anderer Form das innergesellschaftliche Verhältnis betrifft, die sog. sonstigen gemeinsamen Gesellschaftsangelegenheiten. Hierbei ist insb. an die Entlastung von Geschäftsführern oder die Wahl von besonderen Gesellschaftsgremien zu denken. Auch diese Beschlüsse stehen grds. dem Mehrheitsprinzip offen.
cc) Änderung des Gesellschaftsvertrages und (sonstige) Grundlagenentscheidungen
Rz. 262
Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen grds. der Zustimmung aller Gesellschafter. Gleiches gilt für (sonstige) Grundlagenentscheidungen wie etwa die Aufnahme neuer Gesellschafter oder das Ausscheiden alter Gesellschafter, die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die Erhöhung von Beiträgen, die Anpassung des Gesellschaftszwecks oder auch die Auflösung der Gesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag kann allerdings vorsehen, dass für diese Maßnahmen Mehrheitsbeschlüsse genügen. Dies kann für die Flexibilität einer Dauergesellschaft, die sich unternehmerisch betätigt, unerlässlich sein. Andererseits erfordert die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen einen ausreichenden Minderheitenschutz.
Rz. 263
Für die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen über Vertragsänderungen und (sonstige) Grundlagenentscheidungen verlangte die h.M. lange Zeit, dass sich die zugrunde liegende Mehrheitsklausel auf den jeweils in Frage stehenden Beschlussgegenstand hinreichend bestimmt erstrecken musste (sog. Bestimmtheitsgrundsatz). Hierfür wurde zwar nicht die detaillierte Aufzählung der einzelnen dem Mehrheitswillen der Gesellschafter unterworfenen Beschlussgegenstände gefordert, wohl aber die für jeden Gesellschafter eindeutig erkennbare Einbeziehung der betreffenden Gegenstände in den Anwendungsbereich der Mehrheitsklausel. Ein Beschlussgegenstand musste in einer Mehrheitsklausel umso präziser bestimmt sein, je schwerwiegender der potenzielle Eingriff in Gesellschaftsrechte wog oder je ungewöhnlicher er war. Ausgangspunkt der Rspr. waren dabei Mehrheitsbeschlüsse über Beitragserhöhungen. Entschieden wurden ferner auch Vertragsänderungen in Bezug auf die Feststellung des Jahresabschlusses, Rücklagenbildung, Änderungen des Gewinnverteilungsschlüssels, ferner auch Änderungen der Kündigungsfolgen, Vertragsverlängerungen und Formwechsel, um nur einige zu nennen. Nachdem der BGH in neuerer Zeit jedoch zunächst wesentliche Einschränkungen gegenüber dem Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes entwickelt und obiter die Frage nach dessen Abdingbarkeit aufgeworfen hatte, vollzog der II. Zivilsenat mit Urt. v. 21.10.2014 die offene Abkehr vom Bestimmtheitsgrundsatz. Die Entscheidung betraf die mehrheitliche Zustimmung zu einer Anteilsabtretung, für die der BGH eine einfache Me...