Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 262
Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen grds. der Zustimmung aller Gesellschafter. Gleiches gilt für (sonstige) Grundlagenentscheidungen wie etwa die Aufnahme neuer Gesellschafter oder das Ausscheiden alter Gesellschafter, die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die Erhöhung von Beiträgen, die Anpassung des Gesellschaftszwecks oder auch die Auflösung der Gesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag kann allerdings vorsehen, dass für diese Maßnahmen Mehrheitsbeschlüsse genügen. Dies kann für die Flexibilität einer Dauergesellschaft, die sich unternehmerisch betätigt, unerlässlich sein. Andererseits erfordert die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen einen ausreichenden Minderheitenschutz.
Rz. 263
Für die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen über Vertragsänderungen und (sonstige) Grundlagenentscheidungen verlangte die h.M. lange Zeit, dass sich die zugrunde liegende Mehrheitsklausel auf den jeweils in Frage stehenden Beschlussgegenstand hinreichend bestimmt erstrecken musste (sog. Bestimmtheitsgrundsatz). Hierfür wurde zwar nicht die detaillierte Aufzählung der einzelnen dem Mehrheitswillen der Gesellschafter unterworfenen Beschlussgegenstände gefordert, wohl aber die für jeden Gesellschafter eindeutig erkennbare Einbeziehung der betreffenden Gegenstände in den Anwendungsbereich der Mehrheitsklausel. Ein Beschlussgegenstand musste in einer Mehrheitsklausel umso präziser bestimmt sein, je schwerwiegender der potenzielle Eingriff in Gesellschaftsrechte wog oder je ungewöhnlicher er war. Ausgangspunkt der Rspr. waren dabei Mehrheitsbeschlüsse über Beitragserhöhungen. Entschieden wurden ferner auch Vertragsänderungen in Bezug auf die Feststellung des Jahresabschlusses, Rücklagenbildung, Änderungen des Gewinnverteilungsschlüssels, ferner auch Änderungen der Kündigungsfolgen, Vertragsverlängerungen und Formwechsel, um nur einige zu nennen. Nachdem der BGH in neuerer Zeit jedoch zunächst wesentliche Einschränkungen gegenüber dem Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes entwickelt und obiter die Frage nach dessen Abdingbarkeit aufgeworfen hatte, vollzog der II. Zivilsenat mit Urt. v. 21.10.2014 die offene Abkehr vom Bestimmtheitsgrundsatz. Die Entscheidung betraf die mehrheitliche Zustimmung zu einer Anteilsabtretung, für die der BGH eine einfache Mehrheitsklausel als ausreichend erklärte. Damit gehört das Gebot einer restriktiven, am Bestimmtheitsgrundsatz orientierten Auslegung von Mehrheitsklauseln der Vergangenheit an. Vielmehr sind Mehrheitsklauseln nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen auszulegen. Daher ist es nunmehr ausreichend, wenn der Gesellschaftsvertrag verdeutlicht, dass auch Vertragsänderungen und (sonstige) Grundlagenentscheidungen generell einer Mehrheitsentscheidung unterliegen sollen. Noch nicht abschließend geklärt ist lediglich, ob hierfür auch eine ganz allgemein formulierte Mehrheitsklausel, die sich schlicht auf "sämtliche Beschlüsse" bezieht, genügt.
Rz. 264
An dieser Rechtslage hat sich auch durch das MoPeG nichts geändert. Die noch im Mauracher Entwurf enthaltene Regelung, wonach im Zweifel anzunehmen sein sollte, dass Mehrheitsklauseln für alle Beschlüsse, also auch für vertragsändernde Beschlüsse, gelten (§ 714 Satz 2 BGB-E), ist nicht Gesetz geworden. Nach Ansicht der Expertenkommission sollte der Vorschrift indirekt eine Warnfunktion zukommen, indem sie die Gesellschafter anhielt, eine abweichende Regelung zu treffen, sofern sie die allgemeine, d.h. im Zweifel einfache Mehrheit, nicht auch für Vertragsänderungen ausreichen lassen wollen. Gegen diesen Ansatz wurden jedoch angesichts der persönlichen Verbindung der Gesellschafter und ihrer Haftung mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft einerseits und des fehlenden Erfordernisses juristischer Beratung bei der Abfassung des Gesellschaftsvertrags andererseits Bedenken erhoben. Der Regelungsvorschlag der Expertenkommission hat daher zu Recht keinen Eingang in das Gesetz gefunden.
Hinweis
In der Praxis sollten Mehrheitsklauseln eine Aussage dazu enthalten, ob auch Vertragsänderungen und/oder (sonstige) Grundlagenentscheidungen mehrheitlich beschlossen werden können. Ohnehin wird es sich regelmäßig anbieten, insofern höhere Beschlussquoren vorzusehen als für die übrigen Beschlussgegenstände. Selbstverständlich bleibt es den Gesellschaftern weiterhin unbenommen, neben einer Generalklausel auch die wesentlichen Gegenstände, die einer Mehrheitsentscheidung unterliegen sollen, ausdrücklich aufzuführen. Es sollte dann allerdings zur Streitvermeidung klargestellt werden, dass die Aufzählung beispielhaft und nicht abschließend ist.
Rz. 265
Eine Mehrheitsklausel schafft die formelle Legitimationsgrundlage für einen Mehrheitsbeschluss über Vertragsänderungen und (sonstige) Grundlagenentscheidungen. Mehrheitsentscheidungen finden gleichwohl dort ihre Grenze, wo sie in den Kernbereich der Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters eingreifen (s...