Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 241
Endet die Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters vorzeitig, d.h. vor dem regulären Ende der Gesellschaft, kann dies im Wesentlichen zwei Gründe haben: zum einen die Kündigung der Geschäftsführerstellung und zum anderen die Entziehung.
aa) Kündigung
Rz. 242
Dem geschäftsführenden Gesellschafter steht die Möglichkeit der Beendigung seines Amtes durch Kündigungserklärung nach § 715 Abs. 6 BGB n.F. (vormals: § 712 Abs. 2 BGB a.F.) nur dann zu, wenn er sich auf einen wichtigen Grund für die Kündigung berufen kann. Ein freies Widerrufsrecht besteht schon deshalb nicht, weil die Übernahme der Geschäftsführung grds. einen vertraglich geschuldeten Beitrag des Gesellschafters darstellt. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes erfordert eine nach den Umständen des Einzelfalls bestehende Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit. Darunter können sowohl das Gesellschaftsverhältnis betreffende Umstände, wie insb. eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, ebenso aber auch in der Person des Kündigenden selbst liegende Gründe, bspw. Alter oder Krankheit, fallen. Eine Einzelfallabwägung ist erforderlich.
Die Kündigungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, für die es eine gesetzliche Frist nicht gibt. Eine Kündigung zur Unzeit kann jedoch zu Schadensersatzansprüchen nach § 671 Abs. 2 BGB führen. Gesellschaftsvertraglich kann die Kündigung erleichtert, nicht jedoch erschwert werden.
bb) Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis
Rz. 243
Unter dem Begriff "Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis" sind die Fälle zu verstehen, in denen gegen den Willen des Geschäftsführers dessen Amt enden soll. Mit dessen Einverständnis stellt eine Entziehung dagegen eine einfache Vertragsänderung dar. Nach § 715 Abs. 5 BGB n.F. kann die Befugnis zur Geschäftsführung einem Geschäftsführer durch Beschluss der anderen Gesellschafter ganz oder teilweise entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Der gegenüber der Vorgängerregelung des § 712 Abs. 1 BGB a.F. geänderte Wortlaut stellt klar, dass die Vorschrift die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis nicht nur in den Fällen ermöglicht, in denen sie einem einzelnen Gesellschafter – gleich in welcher Form – übertragen wurde, sondern auch in den Fällen, in denen sie als gesetzliche Gesamtvertretung aller Gesellschafter vorgesehen ist. Damit hat das MoPeG die herrschende Auffassung zur Vorgängerregelung, wonach eine Entziehung auch bei Gesamtvertretung möglich ist, gesetzlich nachvollzogen. Das ist zu begrüßen, denn andernfalls bliebe den Mitgesellschaftern in den Fällen, in denen eine Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis erforderlich wäre, nur die Kündigung der Gesellschaft oder die Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund. Der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis ist ggü. der Ausschließung/Kündigung das mildere Mittel, sodass sie richtigerweise auch bei gesetzlicher Gesamtvertretung möglich ist.
Rz. 244
Voraussetzung der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes, wobei dieser praktisch immer in der Person des Geschäftsführers selbst liegt.
Beispiele
Grobe Verstöße gegen Gesellschaftsinteressen, Griff in die Kasse, fortgesetzte Verstöße gegen ein Wettbewerbsverbot, Strafhaft u.Ä.
Ein einmaliger Pflichtverstoß reicht regelmäßig nur dann, wenn dieser Verstoß sehr schwerwiegend ist. Unfähigkeit ist ausreichender Grund nur dann, wenn dies den Beteiligten nicht im Vorhinein bekannt war. Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist immer eine Einzelfallabwägung erforderlich. Dabei sind nicht nur die Belange der Gesellschaft, sondern auch die des Gesellschafters mit einzubeziehen. Besonderer Abwägungskriterien braucht es allerdings nicht, wenn Entziehungsgründe ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurden. Des Verschuldens des Geschäftsführers bedarf es allerdings grds. nicht.
Rz. 245
Möglich ist nach der Neuregelung in § 715 Abs. 5 Satz 1 BGB n.F. ausdrücklich auch eine Teilentziehung der Geschäftsführungsbefugnis. Die Vorgängerregelung in § 712 Abs. 1 BGB a.F. schloss dies noch nach dem Prinzip "ganz oder gar nicht" aus, wobei der Gesellschaftsvertrag schon in der Vergangenheit die Möglichkeit einer Teilentziehung vorsehen konnte.
Rz. 246
Über die Einziehung ist ein Beschluss der Gesellschafter zu fassen. Dieser bedarf grds. der einstimmigen Fassung durch alle Gesellschafter (§ 714 BGB n.F.), es sei denn, im Gesellschaftsvertrag ist eine andere Mehrheit geregelt. Bei Einziehungen aus wichtigem Grund kann die Zustimmung der Gesellschafter ggf. eingeklagt werden. Wirksam wird der Einziehungsbeschluss mit Bekanntgabe an den Gesellschafter, dessen Befugnis entzogen wird. Der Beschluss kann mit der Feststellungsklage angegriffen werden.