Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 415
Nach § 728 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. (vormals: § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) steht dem ausgeschiedenen Gesellschafter ein Anspruch auf Zahlung einer dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu.
aa) Gesetzliche Regelung
Rz. 416
Das Gesetz spricht dem ausgeschiedenen Gesellschafter eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu. Nach der Regierungsbegründung bedarf es stets einer Ermittlung des "wahren Wertes" des Gesellschaftsanteils, der sich im Regelfall indirekt aus dem Unternehmenswert ableitet. Für die Bewertung ist daher gerade nicht von dem Zerschlagungswert des Unternehmens, sondern von demjenigen des lebenden Unternehmens (Fortführungswert) auszugehen. Von der Vorgabe bestimmter Bewertungsmethoden hat der Gesetzgeber des MoPeG – insoweit abweichend von der in § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. angelegten Substanzwertmethode – angesichts der Vielfalt an geeigneten Bewertungsmethoden abgesehen (Prinzip der Methodenoffenheit). Tatsächlich gibt es eine verallgemeinerungsfähige Regel, wonach immer von dem Ertragswert oder dem Substanzwert auszugehen ist, nicht. Der BGH hat die Ermittlung des Wertes eines Gesellschaftsanteils ausdrücklich der tatrichterlichen Feststellung überlassen, was angesichts der Vielzahl möglicher BGB-Gesellschaften ein zutreffendes Verdikt ist. So mag eine rein grundstücksverwaltende Gesellschaft zutreffend nur mit dem Substanzwert der von ihr gehaltenen Grundstücke bewertet werden, eine unternehmenstragende Gesellschaft dagegen mit dem Ertragswert und eine freiberufliche Praxis nach noch ganz anderen Maßstäben. Welches Verfahren auf eine Gesellschaft angewendet werden kann, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen der Gesellschaft zu entscheiden.
Rz. 417
Für die Berechnung des etwaigen Abfindungsentgelts gilt weiterhin das Prinzip der Gesamtabrechnung, wonach für alle aus dem Gesellschaftsverhältnis selbst resultierenden Ansprüche eine Durchsetzungssperre bis zur Feststellung des Abrechnungssaldos gilt. Damit soll ein Hin- und Herzahlen vermieden werden. Ausnahmen gelten nur dort, wo bereits feststeht, dass der Gesellschafter Zahlungen in bestimmter Höhe in jedem Fall erhalten wird, sowie für Drittgläubigerforderungen eines Gesellschafters. Der Abfindungsanspruch entsteht mit dem Ausscheiden des Gesellschafters. Wann der Anspruch fällig wird, ist umstritten, wobei im Wesentlichen zwei Meinungen vertreten werden. Zum einen wird die Fälligkeit sofort mit dem Ausscheiden des Gesellschafters und zum anderen frühestens mit Berechenbarkeit des Abfindungsanspruchs angenommen. Den Anspruch auf Auszahlung des Abfindungsentgelts kann der ausgeschiedene Gesellschafter im Wege der Leistungsklage geltend machen. Soweit aufgrund fehlender oder unvollständiger Rechnungslegung eine genaue Bezifferung des Abfindungsentgelts zunächst nicht möglich ist, kann der Gesellschafter auch Klage auf Rechnungslegung bzw. Auskunft erheben.
bb) Vertragliche Modifikation des Abfindungsanspruchs
Rz. 418
Grds. gilt, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Abfindungsregelung eines ausscheidenden Gesellschafters dispositiv sind und damit auch Abweichungen zulasten des Gesellschafters vertraglich vereinbart werden können. Regelungsgegenstand sind dabei zum einen die Höhe einer Abfindung und zum Zweiten die Modalitäten der Zahlung. Kernüberlegung bei der Gestaltung von Abfindungsregelungen sollte die Erkenntnis sein, dass regelmäßig zu Beginn der Gesellschaft den Gesellschaftern der eigene Verbleib in der Gesellschaft als sicher erscheint, während die Mitgesellschafter als potenzielle "Wackelkandidaten" identifiziert werden. Gleichzeitig wird dem Erhalt der Gesellschaft ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt. Kommt es zu einem Ausscheiden aus der Gesellschaft, werden sich diese Interessen regelmäßig erheblich verschieben. Der ausscheidende Gesellschafter erkennt plötzlich, dass nicht die anderen, sondern er der "Wackelkandidat" ist. Ferner erscheint dem Ausscheidenden das Interesse am Fortbestand der Gesellschaft regelmäßig weniger bedeutend als den verbleibenden Mitgesellschaftern. Dem Vertragsgestalter obliegt es, den Gesellschaftern insofern mögliche Änderungen ihrer...