Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 1184
Die meisten Gesellschaftsverträge sehen vor, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zum Abschluss eines Ehevertrags einen wichtigen Grund darstellt, der den Ausschluss eines Gesellschafters rechtfertigt. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erscheint im Regelfall aber ein abgestuftes Vorgehen als vorzugswürdig:
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Nachfrist: Sofern der Gesellschafter den Abschluss eines entsprechenden Ehevertrags nicht nachweist, sollte ihm nochmals eine Nachfrist gesetzt werden. Dabei sollte er auch auf mögliche Sanktionen hingewiesen werden. |
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Beschluss der Gesellschafterversammlung: Die Sanktionen sollten nicht automatisch (z.B. mit Fristablauf) eingreifen. Vielmehr sollte die Gesellschafterversammlung durch Beschluss über die Sanktionen beschließen. |
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Rechtliches Gehör: Dem betroffenen Gesellschafter sollte in der Gesellschafterversammlung nochmals die Möglichkeit zur persönlichen Stellungnahme gewährt werden. |
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Mehrheitserfordernis: Für den Beschluss der Gesellschafterversammlung sollte eine qualifizierte Mehrheit, u.U. sogar Einstimmigkeit aller anderen Gesellschafter, vorgesehen werden. |
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Differenzierte Sanktionen: Die Sanktion sollte nicht schematisch in dem Ausschluss des Gesellschafters aus der Gesellschaft bestehen. Vielmehr sollten auch andere Sanktionsmöglichkeiten (z.B. Ruhen des Stimmrechts oder Verpflichtung, die Gewinne in eine Rücklage einzustellen) als mildere Mittel vorgesehen werden. Über die konkrete Sanktion sollte die Gesellschafterversammlung unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls entscheiden. |
Ein solches Vorgehen trägt nicht nur den berechtigten Interessen des Gesellschafters, der gegen eine Güterstandsklausel verstößt, angemessen Rechnung, sondern wird vielfach auch aus Sicht der Gesellschaft zweckmäßig sein. Denn bei einem Gesellschafter, der (z.B. aufgrund seiner besonderen Kenntnisse oder Erfahrungen) für die Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, wird ein Ausschluss faktisch kaum in Betracht kommen. In einem solchen Fall sind nur andere Sanktionen praktikabel und effektiv. Der Ausschluss eines Gesellschafters kann i.Ü. auch daran scheitern, dass die Gesellschaft die dann fällig werdende Abfindung – trotz Abfindungsbeschränkung im Gesellschaftsvertrag – nicht bezahlen kann.
Rz. 1185
Wird ein Gesellschafter im Einzelfall gleichwohl aus der Gesellschaft ausgeschlossen, weil er seiner Verpflichtung zum Abschluss eines entsprechenden Ehevertrags nicht nachgekommen ist, erhält er eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung (§ 728 BGB). Der Gesellschaftsvertrag kann aber Art und Höhe der Abfindung, die Berechnungsmodalitäten und die Auszahlung im Einzelnen regeln. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit die Höhe der Abfindung durch den Gesellschaftsvertrag reduziert werden kann. Sicher ist nur, dass ein vollständiger Ausschluss der Abfindung unzulässig ist. I.Ü. kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an. Dabei kommt dem Anlass des Ausscheidens besondere Bedeutung zu. Der Gesellschafter hat zwar gegen die Güterstandsklausel im Gesellschaftsvertrag verstoßen, doch ist ihm dies u.U. nicht oder nur eingeschränkt vorwerfbar. Geht man davon aus, dass der Gesellschafter-Ehegatte keinen unzulässigen Druck auf den anderen Ehegatten ausüben soll (und darf), kann das Nicht-Zustandekommen des Ehevertrags auch auf dem Verhalten des anderen Ehegatten beruhen. Eine erhebliche Beschränkung der Abfindung könnte zudem eine Beeinträchtigung der Eheschließungsfreiheit darstellen, die im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe problematisch sein könnte.
Rz. 1186
Gleichwohl erscheint eine gewisse Beschränkung der Abfindung notwendig und sachgerecht. Der tatsächliche Wert der Gesellschaftsbeteiligung ist in der Praxis nur schwer zu ermitteln. Zudem würde angesichts der geringen Eigenkapitalausstattung vieler deutscher Unternehmen eine Abfindung zum vollen Verkehrswert den Bestand des Unternehmens gefährden und nicht sichern. Schließlich erscheint es legitim, dass die Gesellschafter die Einhaltung der vertraglich eingegangenen Verpflichtungen auch von gewissen finanziellen Anreizen abhängig machen. Abschläge vom tatsächlichen Wert der Gesellschaftsbeteiligung sollten gleichwohl nur zurückhaltend vorgenommen werden. Die Rspr. gibt keine genauen Grenzwerte vor, sondern nimmt stets eine Einzelfallbetrachtung vor. Eine Abfindung i.H.v. ca. 75 % des tatsächlichen Verkehrswerts sollte nach Möglichkeit als Untergrenze eingehalten werden. Eine weiter gehende Beschränkung der Abfindung erscheint nur dann zulässig, wenn der Gesellschafter vorsätzlich gegen eine Güterstandsklausel verstoßen hat. Dies wird man bspw. annehmen können, wenn ein Gesellschafter nach Aufforderung durch die Gesellschaft einen entsprechenden Ehevertrag vorlegt und diesen im unmittelbaren Anschluss (heimlich) wieder aufhebt. Hier wird die Gesellschaft bewusst getäuscht, da ihr die spätere Aufhebung des Ehevertrags gerade verborgen bleibe...