Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
aa) Vertretungen
Rz. 277
Das Stimmrecht ist ein höchstpersönliches Recht des Gesellschafters. Es kann diesem nicht entzogen werden, ebenso wenig ist es vom Gesellschaftsanteil abspaltbar. Ein Verzicht auf die persönliche Ausübung des Stimmrechts für die Zukunft ist damit ebenfalls unwirksam. Soll den Gesellschaftern die Möglichkeit eröffnet werden, sich in der Gesellschafterversammlung durch einen Dritten vertreten zu lassen, so muss dies im Gesellschaftsvertrag entsprechend geregelt werden. Wen die Gesellschafter als Vertreter zulassen wollen, ist eine Frage der Praktikabilität. Eine Vertretung durch Mitgesellschafter dürfte dabei ebenso sinnvoll sein wie die Öffnung des Vertrages dafür, dass Gesellschafter durch im Wege der Vorsorgevollmacht bestimmte Personen im Vorsorgefall vertreten werden. Andernfalls handeln sich die Gesellschafter u.U. die Vertretung durch einen ihnen völlig Fremden und möglicherweise auch nicht unbedingt sachkundigen gesetzlichen Vertreter in Form des Betreuers ein. Die gesetzliche Vertretung ist in keinem Fall ausschließbar. Dies hindert allerdings nicht daran, vertragliche Regelungen dergestalt vorzusehen, dass die Stimmrechte in bestimmten Fällen, namentlich in allen nicht dem Kernbereich zugehörigen Gegenständen, dann ausgeschlossen sind, wenn bestimmte Vertretungskonstellationen eintreten. Insoweit kann das Stimmrecht ebenso beschränkt werden, wie dies auch allgemein möglich ist. Zu denken ist schließlich an die Möglichkeit, sich in Gesellschafterversammlungen durch zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Dritte, v.a. also Rechtsanwälte und Steuerberater, vertreten zu lassen.
bb) Stimmbindung
Rz. 278
Vereinbarungen, mit denen die Stimmrechtsausübung in der Gesellschaft Bindungen unterworfen wird, treten grds. in zwei verschiedenen Formen auf. Zum einen in Form der sog. Gruppenvertretungsregelungen und zum anderen in Form echter Stimmbindungsverträge.
(1) Gruppenvertretung
Rz. 279
In Gesellschaften, deren Gesellschafterkreis durch zwei oder mehr in sich homogene Gruppen von Gesellschaftern bestimmt sind, insb. also bei Familiengesellschaften mit mehreren Stämmen, können sich gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen empfehlen, wonach die Stimmen einer jeweiligen Gesellschaftergruppe nur einheitlich ausgeübt werden können. Dies wird als obligatorische Gruppenvertretung bezeichnet. Gerade dann, wenn durch Erbfolge immer umfangreichere Gesellschafterkreise entstehen, ist es sinnvoll, solche Regelungen vorzusehen, um die Gesellschaft handlungsfähig zu halten. Diese werden heute allgemein als grds. zulässig angesehen. Für die Wirksamkeit solcher Gruppenvertretungsvereinbarungen wird es als entscheidend angesehen, dass der Gruppenvertreter Mitglied der betroffenen Gesellschaftergruppe ist und von dieser bestellt und abberufen werden kann. Bei den Kernbereich der Gesellschafterrechte betreffenden Maßnahmen ist jedoch eine Durchbrechung der Gruppenvertretung und Einzelvertretung notwendig.
Rz. 280
Während zwar die Gruppenvertretung dazu führt, dass die betroffenen Stimmen der Gesellschafter einheitlich ausgeübt werden, kann die Willensbildung innerhalb der jeweiligen Gruppe durch Mehrheitsentscheidung erfolgen. Wie die konkrete Gruppe intern strukturiert ist, ist dabei offen. Sie kann also selbst wiederum (Innen-)GbR sein. Fehlt es an konkreten Regelungen, ist streitig, welche internen Regelungen anzuwenden sind. Es empfiehlt sich deshalb dringend eine eigenständige Regelung zu vereinbaren, die Bestimmungen für die Willensbildung im Innenverhältnis vorsieht, notfalls auch angelehnt an die Regelung in der Gesellschaft selbst.
Rz. 281
Die Gruppenvertretung unterliegt dann Schranken, wenn es um Beschlussfassungen im Kernbereich der Gesellschafterrechte geht. Ebenso wie im Gesellschaftsvertrag nicht ausreichend bestimmt festgelegte Beitragserhöhungen nur durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter außerhalb jeder Gruppenvertretung beschlossen werden können, kann auch bei vereinbarter Gruppenvertretung nicht gegen den Willen eines Einzelnen diesem eine zusätzliche Leistung aufgenötigt werden. Gleiches gilt bspw. für die Kündigung oder Auflösung der Gesellschaft. Letztlich kann als Anhaltspunkt dienen, dass mit dem Mittel der Gruppenvertretung nicht durch die Hintertür Mehrheitsentscheidungen herbeigeführt werden können, die ohne Gruppenvertretung zulasten eines einzelnen Gesellschafters nicht möglich wären.