Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
1. Beschlussgegenstände
Rz. 1487
Die als Organ handelnden Mitglieder der Vereinigung können jeden Beschluss zur Verwirklichung des Unternehmensgegenstands der Vereinigung fassen (Art. 16 Abs. 2 EWIV-VO). Die Mitglieder können folglich alle Entscheidungen der Geschäftsführer jederzeit und ohne Weiteres an sich ziehen. Diese latente Allzuständigkeit der Mitglieder entspricht inhaltlich der der Gesellschafter einer deutschen GmbH (vgl. §§ 37, 45, 46 GmbHG).
2. Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen
Rz. 1488
Weder die EWIV-VO noch das deutsche Ausführungsgesetz schreiben zur Fassung von Gesellschafterbeschlüssen die Abhaltung einer Mitgliederversammlung vor. Auf Veranlassung eines Geschäftsführers oder auf Verlangen eines Mitgliedes haben der oder die Geschäftsführer die Mitglieder anzuhören, damit diese einen Beschluss fassen (Art. 17 Abs. 4 EWIV-VO). Im Rahmen dieser Anhörung müssen sich die Mitglieder untereinander austauschen können.
3. Stimmrechte der Mitglieder
Rz. 1489
Jedes Mitglied hat eine Stimme. Der Gründungsvertrag kann jedoch bestimmten Mitgliedern mehrere Stimmen unter der Bedingung gewähren, dass ein einziges Mitglied nicht die Stimmenmehrheit besitzt (Art. 17 Abs. 1 EWIV-VO).
a) Einstimmigkeitsprinzip
Rz. 1490
Aufgrund des personengesellschaftlichen Charakters der EWIV ist das Einstimmigkeitsprinzip stark ausgeprägt.
Rz. 1491
Die Mitglieder können die folgenden Beschlüsse immer nur einstimmig fassen (Art. 17 Abs. 2 EWIV-VO):
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Änderungen des Unternehmensgegenstands der Vereinigung, |
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Änderungen der Stimmenzahl eines jeden Mitgliedes, |
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Änderungen der Bedingungen für die Beschlussfassung, |
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eine Verlängerung der Dauer der Vereinigung über den im Gründungsvertrag festgelegten Zeitpunkt hinaus sowie |
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Änderungen des Beitrags jedes Mitgliedes oder bestimmter Mitglieder zur Finanzierung der Vereinigung. |
Rz. 1492
Immer nur einstimmig beschlossen werden können ferner
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grenzüberschreitende Sitzverlegungen (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 EWIV-VO), |
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die Zustimmung zur Abtretung einer Beteiligung an der Vereinigung (Art. 22 Abs. 1 EWIV-VO), |
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die Aufnahme neuer Mitglieder (Art. 26 Abs. 1 EWIV-VO), |
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die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Mitgliedschaft (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EWIV-VO) sowie |
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die Zustimmung zur Nachfolge in die Vereinigung im Fall des Todes einer natürlichen Person, die Mitglied der Vereinigung war (Art. 28 Abs. 2 EWIV-VO). |
Hinweis
Einstimmigkeit bedeutet die Zustimmung aller Mitglieder, d.h. aller vorhandenen Stimmen, nicht bloß der auf einer Mitgliederversammlung anwesenden oder abgegebenen Stimmen.
b) Mehrheitsprinzip
Rz. 1493
In den anderen Fällen kann der Gründungsvertrag die Bedingungen für die Beschlussfähigkeit und die Mehrheiten (quoren), die für die Beschlüsse oder bestimmte Beschlüsse gelten sollen, festlegen. Diese Beschlüsse oder diese Arten von Beschlüssen müssen bezeichnet werden (Bestimmtheitsgrundsatz). Teilweise lässt bereits die EWIV-VO selbst ausdrücklich vom Einstimmigkeitsprinzip abweichende Bestimmungen im Gründungsvertrag zu. Hiervon sind die folgenden Beschlussgegenstände betroffen:
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Änderungen jeder anderen Verpflichtung eines Mitgliedes außer der Beitragspflicht (Art. 17 Abs. 2 Buchst. f) EWIV-VO), |
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solche Änderungen des Gründungsvertrages, die sich nicht auf den Unternehmensgegenstand, die Stimmenzahl eines jeden Mitgliedes, die Bedingungen für die Beschlussfassung, die Änderungen des Beitrags eines jeden Mitgliedes oder die Änderung sonstiger Verpflichtungen eines jeden Mitgliedes beziehen (Art. 17 Abs. 2 Buchst. g) EWIV-VO), |
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die Bedingungen für die Bestellung und die Entlassung von Geschäftsführern sowie deren Befugnisse (Art. 19 Abs. 3 EWIV-VO), |
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die Zustimmung zur Bestellung einer Sicherheit an einer Beteiligung an der Vereinigung (Art. 22 Abs. 2 EWIV-VO), |
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die Bedingungen für den Fortbestand der Vereinigung nach Ausscheiden eines Mitglieds (Art. 30 EWIV-VO) sowie |
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die Auflösung der Vereinigung (Art. 31 Abs. 1 EWIV-VO). |
Hinweis
Enthält der Vertrag keine Bestimmungen, so sind die Beschlüsse einstimmig zu fassen (Art. 17 Abs. 3 EWIV-VO). Auch in den Fällen zulässiger Mehrheitsentscheidungen kommt es auf alle vorhandenen Stimmen an.
4. Fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse
Rz. 1494
Fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse sind nach dem subsidiär anwendbaren nationalen Recht des Sitzstaates (Art. 2 Abs. 1 EWIV-VO) zu beurteilen.