Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
aa) Notwendigkeit einer Güterstandsklausel
Rz. 1175
Angesichts einer Scheidungsquote von über 30 % ist der Abschluss eines maßgeschneiderten Ehevertrags für jeden Gesellschafter an sich eine absolute Notwendigkeit. Gleichwohl wird das Thema "Ehevertrag" in der Praxis vielfach völlig vernachlässigt. Schätzungen zufolge hat nicht einmal jeder fünfte Gesellschafter einen Ehevertrag.
Rz. 1176
Hinzu kommt, dass voraussichtlich viele Eheverträge der seit dem Jahr 2004 von der Rspr. neu entwickelten gerichtlichen Inhalts- und Ausübungskontrolle nicht uneingeschränkt standhalten werden. Dabei wirft die Scheidung eines Gesellschafters besondere Schwierigkeiten auf, die u.U. auch die anderen Gesellschafter und die Gesellschaft selbst in "Mitleidenschaft" ziehen können. Beispiele dafür sind etwa:
▪ |
Belastung der Mitgesellschafter: Die Scheidung ist vielfach keine reine "Privatangelegenheit" eines Gesellschafters, sondern kann auch die Gesellschaft und die Mitgesellschafter belasten. Eine Scheidung erschwert vielfach die Zusammenarbeit in der Gesellschaft. Dies gilt vor allem für Familienunternehmen, bei denen die Gesellschafter und deren Ehegatten oftmals auch persönlich oder verwandtschaftlich miteinander verbunden sind. Zusätzliche Probleme treten auf, wenn der Ehegatte des Gesellschafters in der Gesellschaft angestellt war und die Scheidung auch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. |
▪ |
Mittelverknappung bei Gesellschaft: Zugewinnausgleichsansprüche sind regelmäßig sofort, in voller Höhe und in bar zur Zahlung fällig. Die zur Erfüllung dieser Ansprüche erforderliche Liquidität wird nicht immer in ausreichendem Maße vorhanden sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Gesellschaftsbeteiligungen für Zwecke des Zugewinnausgleichs grds. mit dem tatsächlichen Verkehrswert, d.h. einschließlich etwaiger stiller Reserven und des Firmenwerts, zu bewerten sind. Kann die Zugewinnausgleichsforderung nicht bzw. nicht in vollem Umfang aus dem (liquidem) Privatvermögen beglichen werden, ist der ausgleichspflichtige Gesellschafter möglicherweise gezwungen, seine Gesellschaftsbeteiligung ganz oder teilweise zu veräußern bzw. zu verpfänden. In anderen Fällen wird der Gesellschafter der Gesellschaft zumindest keine neuen Mittel zur Verfügung stellen bzw. bereits gewährte Mittel wieder abziehen. |
▪ |
Belastung des Gesellschafters: Ein Scheidungsverfahren belastet die meisten Gesellschafter nicht nur finanziell, sondern auch persönlich, emotional und zeitlich, was sich insb. bei Gesellschafter-Geschäftsführern nachteilig auswirken kann. |
▪ |
Publizität: Das Scheidungsverfahren führt möglicherweise zur unfreiwilligen Offenlegung von Informationen über das Unternehmen, insb. bei der Berechnung eines Zugewinnausgleichs oder von Unterhaltsansprüchen. Gerade im deutschen Mittelstand, wo selbst der gesetzlichen Verpflichtung zur Offenlegung von Jahresabschlüssen nur ungern entsprochen wird, sollten auch die Folgen einer möglichen Medienberichterstattung über eine Scheidung berücksichtigt werden. Zudem kann mit der Publizität eines Scheidungsverfahrens ein nicht unerhebliches "Erpressungspotenzial" verbunden sein. |
Rz. 1177
Die Scheidung eines Gesellschafters kann für die Gesellschaft und die Mitgesellschafter somit durchaus mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Die Gesellschafter sollten daher bereits im Gesellschaftsvertrag zum Abschluss eines entsprechenden Ehevertrags verpflichtet werden.
bb) Zulässigkeit einer Güterstandsklausel
Rz. 1178
Die rechtliche Zulässigkeit von Güterstandsklauseln in Gesellschaftsverträgen ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Im älteren Schrifttum ist man stets davon ausgegangen, dass Güterstandsklauseln im Interesse der Gesellschaft notwendig und daher auch rechtlich zulässig sind. Im neueren Schrifttum finden sich zunehmend auch kritische Stellungnahmen. Noch nicht abzusehen ist, welche Auswirkungen die neuere Rspr. des BGH zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen auf Güterstandsklauseln in Gesellschaftsverträgen hat.
Rz. 1179
Grds. ist davon auszugehen, dass zwischen der gerichtlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen und der Wirksamkeit von Güterstandsklauseln in Gesellschaftsverträgen kein rechtlicher Zusammenhang besteht. Die Güterstandsklausel ist insb. nicht ursächlich dafür, dass ein Ehevertrag im Einzelfall einer gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht standhält. Denn die Güterstandsklausel ist im Regelfall nicht so ausgestaltet, dass der Ge...