Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
aa) Ausgangssituation
Rz. 1188
Niemand ist davor geschützt, aufgrund Alter, Krankheit oder Unfall (dauernd oder vorübergehend) handlungs- und geschäftsunfähig zu werden (anders jedoch der Glaube vieler Betroffener, wonach Unternehmer nicht krank werden, keine Unfälle erleiden und bis ins hohe Alter körperlich und geistig top fit sind). In solchen Fällen kann auf Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen ein Betreuer bestellt werden (§§ 1814 ff. BGB, §§ 271 ff. FamFG). Die anderen Gesellschafter sind jedoch nicht antragsberechtigt. Auf die Person des Betreuers und das Betreuungsverfahren haben sie somit keinerlei rechtlichen Einfluss. Nach der Bestellung des Betreuers werden die Rechte des Gesellschafters von diesem wahrgenommen. Die Rechte des Betreuers sind grds. zwingend und können weder durch den Gesellschaftsvertrag noch durch sonstige Vereinbarung beschränkt werden. Der Betreuer wird oftmals weder mit dem konkreten Unternehmen noch allgemein mit unternehmerischen Entscheidungen besonders vertraut sein. Dies führt meist zu Verzögerungen und Stillstand. Hinzu kommt, dass der Betreuer in vielen Fällen nicht selbst entscheiden kann. Für alle "wichtigen" Entscheidungen bedarf er zusätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichts (s. § 1848 ff. BGB). Dies gilt insbesondere für die meisten Beschlussfassungen und Entscheidungen über die Unternehmensbeteiligung. In diesem Bereich sind viele Fragen ungeklärt und umstritten. Dies führt zu weiteren Verzögerungen und nicht selten auch Ablehnung der beabsichtigten Maßnahmen.
Rz. 1189
Fazit: Die Geschäftsunfähigkeit eines einzelnen Gesellschafters kann dazu führen, dass das gesamte Unternehmen unter Umständen weitgehend blockiert ist. Ein solcher Blockadezustand kann durchaus von längerer Dauer sein. Diese Situation muss jeder Unternehmer, Gesellschafter und Vermögensinhaber unbedingt verhindern. Eine maßgeschneiderte Vorsorgevollmacht für eine (oder mehrere) Vertrauenspersonen ist daher in jedem Lebensalter unerlässlich. Die Vorsorgevollmacht vermeidet die Bestellung eines Betreuers und macht die Mitwirkung des Betreuungsgerichts überflüssig (§ 1820 BGB). Der Bevollmächtigte kann (und muss) dann die Rechte des Bevollmächtigten wahrnehmen.
bb) Notwendigkeit der Vorsorgevollmacht
Rz. 1190
Bei der Ausgestaltung einer Vorsorgevollmacht sollten die Gesellschafter in vermögensmäßiger Hinsicht (die ärztlichen und medizinischen Fragen sollen hier nicht näher behandelt werden) unbedingt u.a. auch folgende Punkte beachten:
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Sofortige und unbedingte Wirksamkeit: Die Vollmacht sollte (zumindest im Außenverhältnis) sofort und unbedingt wirksam sein. Die Vollmacht sollte insbesondere nicht vom Eintritt der Geschäftsunfähigkeit oder einer bestimmten Erkrankung des Vollmachtgebers abhängig gemacht werden, da solche Umstände nicht bzw. nicht zweifelsfrei (zudem oft auch nicht schnell genug und nicht in der gebotenen Form) nachweisbar sind. |
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Umfang: Inhaltlich soll die Vollmacht möglichst allumfassend ausgestaltet sein. Gegenständliche, zeitliche und/oder sachliche Beschränkungen sind nach Möglichkeit (zumindest im Außenverhältnis) zu vermeiden. Das für Betreuer geltende Schenkungsverbot (vgl.§ 1854 Nr. 8 BGB) sollte für den Bevollmächtigten nicht gelten, um dem Bevollmächtigten auch die Vornahme von (ganz oder teilweise) unentgeltlichen Rechtsgeschäften zu ermöglichen. |
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Befugnisse des Bevollmächtigten: Grds. ist es ausreichend, wenn der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber in allen Angelegenheiten umfassend vertreten kann. Eine Einzelaufführung der Befugnisse des Bevollmächtigten ist nur sinnvoll, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist (z.B. oftmals nach ausländischem Recht). In Deutschland müssen vor allem bestimmte medizinische und/oder ärztliche Eingriffe ausdrücklich genannt werden (s.u.a. §§ 1829, 1831, 1832, 1906 BGB). Die vermögensmäßigen Befugnisse des Bevollmächtigten (z.B. Ausübung von Gesellschafterrechten, Vornahme von Handelsregisteranmeldungen) müssen in der Vollmacht dagegen nicht ausdrücklich erwähnt werden. |
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Abstimmung ("Verzahnung") mit den Hauptgeschäften: Nach Möglichkeit sollte die Vollmacht stets mit dem Hauptgeschäft, welches mittels der Vollmacht abgesch... |