Rz. 1

Im Zuge der Schaffung des FamFG hat sich der Gesetzgeber bewusst für eine Neuordnung der Rechtsmittel entschieden.[1] Rechtsmittel gegen Endentscheidungen – seien es Hauptsacheentscheidungen oder einstweilige Anordnungen (siehe dazu § 7 Rdn 43 ff.) – ist nunmehr allein die Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG. Wurde das Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet, richtet es sich – auch in der Beschwerdeinstanz – gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem alten, bis dahin geltenden Verfahrensrecht.[2] Wurde aber noch vor dem 1.9.2009 – nach altem Recht – ein Prozesskostenhilfegesuch für einen (nur) für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beabsichtigten Antrag eingereicht, so richtet sich das Verfahren nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und nachfolgender Antragseinleitung nach neuem Recht.[3]

 

Rz. 2

Durch §§ 39, 69 Abs. 3 FamFG wurde erstmals die Verpflichtung sowohl der Ausgangsgerichte als auch der Beschwerdegerichte geschaffen, ihre Endentscheidungen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Diese ist formeller Bestandteil des Beschlusses[4] und muss das statthafte Rechtsmittel,[5] den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung, dessen Form (samt Anwalts­zwang) und Frist sowie das Gericht enthalten, bei dem es einzulegen ist. Eine fehlende, falsche oder unvollständige Belehrung begründet im Rahmen eines Wiedereinsetzungsverfahrens die gesetzliche Vermutung, dass das Verschulden an einer Versäumung der entsprechenden Frist fehlt (§ 17 Abs. 2 FamFG).[6] Diese Vermutung wird allerdings bei anwaltlicher Vertretung regelmäßig widerlegt sein,[7] einerlei, ob der Rechtsanwalt Fachanwalt für Familienrecht ist oder nicht.[8] Insoweit genügt es, dass der Beteiligte erstinstanzlich anwaltlich vertreten war. Denn es gehört zu den Pflichten seines erstinstanzlich tätigen Anwalts, ihn über den Inhalt einer im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidung zu informieren und zutreffend über die formellen Voraussetzungen des gegebenen Rechtsmittels zu belehren; erst dann endet sein erstinstanzlicher Auftrag.[9] Von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Er kann daher das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwaltes geführt hat.[10] Gleiches gilt für das Jugendamt.[11] Der Lauf der Wiedereinsetzungsfrist beginnt bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung mit Bekanntgabe bzw. Zustellung der mit ordnungsgemäßer Belehrung ergänzten Entscheidung.[12] Hat das Familiengericht seine Entscheidung inhaltlich auf das falsche Verfahrensrecht gestützt – also auf Grundlage des FamFG statt des fortgeltenden FGG oder umgekehrt –, so kann die Beschwerde nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung sowohl beim Ausgangsgericht als auch beim Beschwerdegericht eingelegt werden.[13]

 

Rz. 3

Der Rechtsmittelzug im Verfahren nach dem FamFG ist dreistufig ausgestaltet und damit den anderen Verfahrensordnungen angeglichen. Die erstinstanzliche Zuständigkeit für Familiensachen im Sinn des § 111 FamFG liegt bei den Amtsgerichten. Insoweit wurde § 23a GVG neugefasst. Entsprechend der bisherigen Rechtslage werden auch weiterhin die Beschwerden in Familiensachen im Sinn des § 111 FamFG von den Oberlandesgerichten entschieden. Hier gilt unverändert die formelle Anknüpfung nach § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG. Dies hat unter anderem zur Folge, dass das Oberlandesgericht stets als Beschwerdegericht zuständig ist, unabhängig davon, ob das Familiengericht tatsächlich in einer Familiensache im Sinn des § 111 FamFG entschieden hat. Selbst für den Fall, dass sich die erstinstanzliche Entscheidung nicht auf eine Familiensache erstreckte, kann nach § 17a Abs. 5 und 6 GVG (§ 65 Abs. 4 FamFG betrifft die örtliche Zuständigkeit, aber weder die internationale[14] noch die Rechtswegzuständigkeit) die rechtswegbezogene Unzuständigkeit in der Beschwerdeinstanz nicht mehr gerügt werden.[15]

 

Rz. 4

Die bislang mögliche weitere Beschwerde ist gesetzlich nicht mehr vorgesehen. An ihre Stelle ist die – weitgehend (Ausnahme: § 70 Abs. 3 FamFG) – zulassungsabhängige Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff. FamFG zum Bundesgerichtshof getreten (siehe dazu Rdn 59 ff.).

 

Rz. 5

Nach wie vor ist die Erinnerung gegen Entscheidungen des Rechtspflegers möglich, wenn nach allgemeinen Vorschriften ein Rechtsmittel gegen dessen Entscheidung nicht gegeben ist,[16] wobei in Familiensachen nach dem FamFG insoweit die Monatsfrist gilt (§ 11 Abs. 2 RPflG).

 

Rz. 6

Die Beschwerdeverfahren in Kindschaftssachen unterliegen wegen des Vorrangs des Kindeswohls weithin nicht dem Verschlechterungsverbot,[17] so dass eine zunächst nur eingeschränkte Gewährung von Umgangskontakten in der Beschwerdeinstanz auch zu einem völligen Ausschluss des U...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge