a) Allgemeines
Rz. 75
Hat der Verstorbene keine Anordnungen getroffen oder auch keinen Dritten mit der Totenfürsorge beauftragt und ist auch ein sonstiger, zumindest konkludent geäußerter Wille nicht erkennbar, so obliegt die Totenfürsorge nach Gewohnheitsrecht in erster Linie den nächsten Familienangehörigen und nicht den Erben. Umgekehrt kann sich ein bestattungspflichtiger Erbe durch die Ausschlagung der Erbschaft nicht von seiner Totenfürsorgepflicht befreien. Nicht totenfürsorgeberechtigt und somit auch nicht bestattungspflichtig sind der Nachlasspfleger und der Betreuer. Vielmehr sind zunächst die nächsten Familienangehörigen berechtigt und verpflichtet, über Ort und Art der Bestattung zu bestimmen. Das Totenfürsorgerecht der nächsten Angehörigen ist eine Nachwirkung aus dem familienrechtlichen Verhältnis, das den Verstorbenen bei Lebzeiten mit den überlebenden Angehörigen verbunden hat. Es gehört damit zu den absoluten Persönlichkeitsrechten, das durch Art. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 GG geschützt ist.
b) Reihenfolge der Angehörigen
Rz. 76
Die Reihenfolge, in der die Angehörigen zur Entscheidung berufen sind, wurde ursprünglich nach den Vorgaben des § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15.5.1934 bestimmt. Diese Regelung, die Ausdruck einer Grundwertung des Gesetzgebers ist, wurde zwischenzeitlich jedoch sowohl von allen landesrechtlichen Bestattungsgesetzen übernommen als auch von der Rechtsprechung. Danach haben für die Bestattung die Angehörigen in folgender Reihenfolge zu sorgen und auch zu entscheiden:
▪ |
Ehegatte (diesem gleichgestellt der Lebenspartner), |
▪ |
volljährige Kinder, |
▪ |
Eltern, |
▪ |
Großeltern, |
▪ |
volljährige Geschwister, |
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Enkelkinder. |
Rz. 77
Somit geht der Wille des überlebenden Ehegatten dem der Verwandten und Kinder, insbesondere auch dem der Eltern und Geschwister vor. Der Wille der Kinder und ihrer Ehegatten geht demjenigen der übrigen Verwandten, der Wille näherer Verwandter oder des Verlobten demjenigen weiterer Verwandter vor. Der Wille des überlebenden Ehegatten hat also absoluten Vorrang. Fehlt ein Ehegatte, ist der Wille der Kinder maßgeblich. Die Reihenfolge gilt unabhängig davon, ob die Angehörigen Erben geworden sind oder nicht. Bei getrenntlebenden Ehegatten soll bezüglich des minderjährigen Kindes derjenige allein totenfürsorgeberechtigt sein, der das alleinige Sorgerecht innehat.
Rz. 78
Problematisch sind die Fälle, in welchen das "Familienverhältnis" gestört ist, sei es durch die Stellung eines Scheidungsantrags durch den Ehegatten oder das fehlende Sorgerecht des Vaters hinsichtlich seines verstorbenen minderjährigen Kindes. Für den Fall des bereits gestellten Scheidungsantrags ist ein Totenfürsorgerecht des Ehegatten zumindest dann abzulehnen, wenn der Erblasser den Scheidungsantrag gestellt hat und damit (auch) zum Ausdruck gebracht hat, das einst begründete familiäre Verhältnis auflösen zu wollen.
Rz. 79
Die landesrechtlichen Bestattungsgesetze von Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen haben den Kreis der Totenfürsorgeberechtigten um die nichtehelichen Lebensgefährten erweitert. Der eingetragene Lebenspartner ist zwar noch nicht in allen Bestattungsgesetzen der Länder aufgeführt; ernsthafte Zweifel daran, dass er in der Reihenfolge der Totenfürsorgeberechtigten vor etwaigen Kindern des Erblassers und erst recht dessen Eltern kommt, bestehen aber nicht. Auch hier ist allerdings stets zu prüfen, ob die Erbeinsetzung von Dritten, die nicht Familienmitglieder sind, nicht zugleich auch eine konkludente Bestimmung des Erblassers darstellt, wer die Totenfürsorge ausüben soll. Entscheidet sich der Erblasser bewusst ihm Rahmen seiner Nachfolgeregelung gegen seine Familienangehörigen, so dürfte hierin regelmäßig auch der Wille zum Ausdruck kommen, dass sich diese auch nicht um Ort und Art der Bestattung zu kümmern haben.
Rz. 80
Der Erblasser kann auch die Reihenfolge der Totenfürsorgeberechtigten bestimmen, er kann auch einzelnen das Totenfürsorgerecht entziehen oder Bestimmungen hinsichtlich der Entscheidungsfindung treffen. Er kann den Angehörigen das Totenfürsorgerecht auch insgesamt entziehen und auf einen Dritten übertragen. Abweichend hiervon überträgt § 9 des rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetzes die Entscheidung vorrangig den Erben. Sind diese allerdings nicht rechtzeitig zu ermitteln, sind die Angehörigen totenfürsorgeberechtigt.
Rz. 81
Ist ein Angehöriger zum Betreuer des Erblassers bestellt, steht ihm das Recht der Totenfürsorge vorrangig zu. Der Betreuer als solcher hat jedoch kein Totenfürsorgerecht hinsichtlich des von ihm betreuten Verstorbenen.