Rz. 82
Sind mehrere Angehörige gleichen Grades (z.B. mehrere Kinder) vorhanden, so müssen grundsätzlich alle die Einwilligung zu den vorgesehenen Regelungen der Bestattung erteilen; es gibt keinen Mehrheitsbeschluss. Ist nur eines der Kinder nicht einverstanden, so verhindert dies die von den anderen beabsichtigte Verfügung. Die Ausübung des Totenfürsorgerechts setzt nämlich die Übereinstimmung sämtlicher Berechtigter voraus. Es ist allerdings zu überlegen, ob nicht im Rahmen von Entscheidungen, die lediglich Zweckmäßigkeitsfragen betreffen, bindende Mehrheitsbeschlüsse für zulässig erachtet werden sollten. Dies ist nach hiesiger Auffassung zu bejahen, da dies den Kern der Totenfürsorge nicht tangiert.
Rz. 83
Lässt sich keine Übereinstimmung erreichen, so wird ortsüblich bestattet, es ist also i.d.R. nur die Erdbestattung zulässig und etwaige beabsichtigte andere Maßnahmen sind zu unterlassen. Bestehen unterschiedliche Auffassungen unter den Totenfürsorgeberechtigten über die Ausübung der Bestattungspflicht oder Art und Ort der Bestattung, so können hierzu die ordentlichen Gerichte angerufen werden, da es sich hierbei um Rechtsstreitigkeiten privatrechtlicher Natur handelt. Versucht ein Teil der Angehörigen, einzelne Maßnahmen gegen den Willen der anderen auszuführen, so stehen diesen ebenfalls die zivilprozessualen Schutzmöglichkeiten zur Verfügung. Auch hier wird i.d.R. aufgrund der Kürze der Zeit lediglich vorläufiger Rechtsschutz möglich und sinnvoll sein. Streiten sich Hinterbliebene eines Verstorbenen über Art und Ort der Bestattung einer Urne und damit über die Rangfolge des Rechts der Totenfürsorge, kann die örtliche Ordnungsbehörde nicht auf (vorläufige) Maßnahmen zur Sicherung des Bestimmungsrechts in Anspruch genommen werden; der Streit ist vielmehr zwischen den Hinterbliebenen vor den ordentlichen Gerichten auszutragen. Auch die Ansprüche gegen die Totenfürsorgeberechtigten sind vor den ordentlichen Gerichten auszutragen.
Rz. 84
Wird der Wille des Verstorbenen von einem Totenfürsorgeberechtigten nicht beachtet oder weicht dieser von den angeordneten Regelungen des Erblassers ab, so können die anderen Angehörigen die Vollziehung der Anweisungen des Verstorbenen gerichtlich erzwingen. Der Betroffene hat allerdings die Möglichkeit, gewichtige Gründe für seine Weigerung vorzutragen. Als gewichtiger Grund kommt allerdings i.d.R. nur der von ihm nachzuweisende Einwand in Betracht, dass der Verstorbene seinen Willen über den Bestattungsort geändert hat. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Es liegt keine Willenserklärung des Verstorbenen vor, aber einer der Angehörigen weigert sich, die Entscheidung der anderen Totenfürsorgeberechtigten mit zu tragen. Auch hierzu kann er gezwungen werden, und auch hier kann er nur einwenden, der Verstorbene habe doch eine (abweichende) Willenserklärung abgegeben. Auch hierfür ist der Totenfürsorgeberechtigte beweispflichtig.
Rz. 85
Anordnungen des Verstorbenen sind stets an den Vorgaben des § 138 BGB zu messen. Wenn der Erblasser objektiv (nicht subjektiv nach der Auffassung der Angehörigen) gegen das Pietätsgefühl oder gegen die guten Sitten verstößt, müssen die Totenfürsorgeberechtigten diese Anordnungen nicht umsetzen. Darüber hinaus haben die Angehörigen stets die Möglichkeit, Anordnungen des Erblassers zu ignorieren, sofern diese gegen ihr eigenes Pietätsgefühl verstoßen und die Anordnung lediglich formlos und nicht etwa in Form einer Auflage erklärt wurde. Zulässig sind sowohl Vereinbarungen zwischen den Angehörigen über Ort und Art der Bestattung wie auch Vereinbarungen der Erben mit den bestattungsberechtigten Angehörigen. Sind keine Angehörige vorhanden, so können die Erben als Totenfürsorgeberechtigte in Betracht kommen, da sie die Bestattungskosten tragen müssen. Darüber hinaus kommen aber auch Personen als Totenfürsorgeberechtigte in Betracht, die dem Verstorbenen in sonstiger Weise besonders nahe gestanden haben, ohne mit ihm familiär verbunden gewesen zu sein.
Rz. 86
Der schriftlich erklärte Wille des Verstorbenen, Meinungsverschiedenheiten über den Ort seiner letzten Ruhestätte nicht mit den Mitteln des Rechts auszutragen, kann die Entstehung von Abwehransprüchen aus einem Eingriff in das Recht der Totenfürsorge hindern. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Verstorbene bestimmt, dass seine Kinder nicht "mit Mitteln des Rechts" eine von seiner Lebensgefährtin einmal getroffene Entscheidung über den Bestattungsort sollen ändern können. Das Gericht hat hier zu Recht eine Entziehung des Totenfürsorgerechts der Kinder zugunsten der Lebensgefährtin gesehen.