Rz. 4
Die Verletzungen/Verletzungsfolgen in der Tabelle 6 bilden keinen abschließenden Katalog. Weitere Verletzungen/Verletzungsfolgen mit Auswirkung auf die Fähigkeit zur Haushaltsführung sind denkbar und dürfen der Regulierung keinesfalls entzogen werden. In der Tabelle 6 liegt der Fokus auf der Verletzungsfolge, nicht auf der Primärverletzung. Damit kann eine Vielzahl von unterschiedlichen Primärverletzungen, die jedoch ähnliche Verletzungsfolgen zeigen, erfasst werden. Beispielhaft soll die Oberkieferfraktur Le Fort I – III herangezogen werden. Folgen dieser Frakturen können Verlust des Geruchssinns, Geschmackssinns, Migräne und Tinnitus sein. Ähnliche Verletzungsfolgen ergeben sich auch nach Schädelhirntrauma II/III. Ohne dezidierte medizinische Hintergrundinformationen ist die Bestimmung der MdH nicht möglich. Gegebenenfalls ist ein medizinisches Gutachten einzuholen. Auf der Basis der gewonnenen medizinischen Erkenntnisse ist die Schätzung der MdH anhand der in dieser Tabelle genannten Verletzungsfolgen möglich.
Zeitlich befristete Einschränkungen in der Haushaltsführung, wie sie sich oftmals nach folgenlosen Frakturen einzelner oder mehrerer Körperteile ergeben, finden sich in der Tabelle 6 nicht. Für die Berechnung des Haushaltsführungsschadens sollte daher auf die Auswirkungen der jeweiligen Fraktur abgestellt werden. Beispielsweise kann bei einer Fraktur des Handgelenkes, die dann nach der üblichen Zeit der Ausheilung vollständig folgenlos bleibt, auf die MdH bei der einseitigen Bewegungseinschränkung des Handgelenkes abgestellt werden. Sie würde in dem Fall 30 % für die Dauer des Heilungsprozesses der Fraktur betragen. Da ein Dauerschaden nicht feststellbar ist, ergibt sich auch keine Dauer-MdH. Für die Praxis bedeutet dies die Regulierung des Haushaltsführungsschadens auf der Basis einer MdH von 30 % für die Dauer des Genesungsprozesses der Handfraktur. Nach vollständiger Genesung der Fraktur ist dann ein weiterer Haushaltsführungsschaden nicht feststellbar. In der Akutphase kann die MdH durchaus 60 % betragen; analog zum Handverlust, solange ein Gips getragen wird.
Die Schätzung der MdH nach Mehrfachverletzungen (z.B. Polytrauma) ist mithilfe der Tabelle 6 ebenso möglich. Man trennt die haushaltsspezifischen Beeinträchtigungen nach Körperteilen und Organen (Kopf, Hals, Rumpf, obere/untere Extremitäten, psychische Unfallfolgen). Wenn dieselben Körperteile aufgrund verschiedener Primärverletzungen betroffen sind, werden Überschneidungen herausgearbeitet. Dies ist erforderlich, um den Gesamtzustand der Einschränkungen in der Haushaltsführung festzustellen.
Rz. 5
Beispiel 1
Mehrfachverletzung bestehend aus: Oberarmfraktur rechts mit Folge Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (30 % MdH), Handgelenkfraktur rechts mit Versteifung (30 % MdH), Kniebinnenschaden rechts mit Bewegungseinschränkung (25 % MdH). Die Verletzungen des Oberarmes und des Handgelenks überschneiden sich hinsichtlich der haushaltsspezifischen Beeinträchtigungen. Damit ist eine Addition der auf die jeweilige Verletzung entfallenden Teilbeträge nicht möglich. Bei mehreren ähnlichen Verletzungsfolgen – Bewegungseinschränkung des Schultergelenks und Versteifung des Handgelenks – ist die jeweils höhere MdH in der Gesamtbetrachtung maßvoll anzuheben (= Verletzungsfolgen auf derselben "Strecke"). Vorliegend werden beide Verletzungsfolgen mit je 30 % gleich hoch bewertet. Somit könnten 40 % MdH angesetzt werden. Hinzuzurechnen ist der Knieschaden, welcher sich im Dauerschaden in einer Bewegungseinschränkung zeigt. Diese beträgt 25 % MdH, so dass insgesamt 65 % MdH in der Regulierung anzunehmen sind.
Beispiel 2
Es liegt eine Kopfverletzung mit der Folge einseitiger Taubheit (15 % MdH) sowie eine Verletzung des oberen Sprunggelenks mit der Folge einer Versteifung (20 % MdH) vor. Beide Primärverletzungen stehen in ihren haushaltsspezifischen Auswirkungen nebeneinander. Es findet eine Addition der jeweiligen Teilwerte statt, so dass die Gesamt-MdH 35 % beträgt.