A. Fortgeltung von Altvereinbarungen (§ 47 WEG)
I. Zielsetzung
Rz. 1
Die Novelle 2007 bestimmte an zahlreichen Stellen etwa in §§ 12 Abs. 4 S. 2, 16 Abs. 5, 22 Abs. 2 S. 2 WEG a.F. ausdrücklich, dass die Neuregelungen unabdingbar seien. Dadurch wurden nicht nur abweichende Vereinbarungen und Beschlüsse für die Zukunft ausgeschlossen. Zugleich traten abweichende Vereinbarungen und Beschlüsse aus der Zeit vor der Novelle faktisch außer Kraft. Dieser rigiden und nicht selten überzogenen Gesetzestechnik erteilt der Gesetzgeber des WEMoG zu Recht eine Absage. Er betont die grundsätzlich bestehende Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer. Seinem ausdrücklichen Bekunden zufolge will er nur sicherstellen, dass nicht die bloße Wiederholung des alten Gesetzestextes aufgrund seines Widerspruches zum neuen Recht dessen Geltung entgegensteht. In der Folge ordnet er in § 47 S. 1 WEG nur an, dass eine abweichende Regelung in früheren Vereinbarungen der Anwendbarkeit des neuen Rechtes nicht entgegensteht, soweit sich aus ihnen im Wege der Auslegung nichts anderes ergibt. Andere Erkenntnisquellen sind nach allgemeinen Grundsätzen der objektiv-normativen Auslegung nicht heranzuziehen. In der Regel ist ein solcher Wille gemäß § 47 Abs. 2 WEG in der Regel nicht anzunehmen.
II. Auslegungskriterien
1. Den alten Gesetzeswortlaut wiederholende Regelungen
Rz. 2
Aus diesen Vorgaben ergibt sich mit Sicherheit, dass die häufig zu beobachtende wörtliche Wiederholung des Gesetzes in der Gemeinschaftsordnung der Anwendbarkeit des neuen Rechtes grundsätzlich nicht entgegensteht. Ähnliches gilt für die bloß inhaltsgleiche Gestaltung der Gemeinschaftsordnung. Auch damit soll nur die Gültigkeit der (alten) Gesetzesfassung festgeschrieben werden. Der Wille, hieran auch nach einer Novelle des WEG festzuhalten, wird dem meist nicht zu entnehmen sein.
2. Von der alten Gesetzesfassung abweichende Regelungen
Rz. 3
Den gegenteiligen Schluss lassen Formulierungen der Art zu, das "abweichend vom Gesetz" eine andere Regelung gelten soll. Hiermit macht die Gemeinschaftsordnung deutlich, dass gerade nicht die (alte) Gesetzesfassung, sondern eine autonome Regelung getroffen werden soll. Diese Bestimmung soll Vorrang vor dem Gesetz haben. Ähnliches wird oftmals auch dann anzunehmen sein, wenn die Gemeinschaftsordnung ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Divergenz von der früheren Gesetzesfassung abweicht. Auch dann hat die Gemeinschaft eine autonome Regelung gewählt, deren Vorrang vor dem Gesetz in der Regel auch gegenüber neuen Vorschriften erhalten bleiben soll.
III. Auswirkungen auf abweichende Gestaltungen
1. Künftige Regelungen
Rz. 4
Die vom Gesetzgeber betonte Privatautonomie der Wohnungseigentümer lässt für künftige Gemeinschaftsordnungen nur den Schluss zu, dass die Neuregelungen abbedungen werden können, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Dies gilt erst recht für Vorschriften etwa zur Beschluss-Sammlung, denen teilweise auch ohne ausdrückliche Anordnung Unabdingbarkeit zuerkannt wurde. Sofern eine entsprechende Öffnungsklausel vorliegt, kann die abweichende Regelung auch durch Beschluss getroffen werden.
2. Durch die Novelle 2007 außer Kraft gesetzte Regelungen
Rz. 5
Weniger eindeutig ist die Behandlung von Vereinbarungen, deren Fortgeltung durch die Anordnung der Unabdingbarkeit abweichender Vorschriften in der Novelle 2007 ausgeschlossen wurde. Auch hier dürfte die nunmehr betonte Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer für ein Wiederaufleben sprechen. Denn die Novelle hob solchermaßen abweichende Vereinbarungen bzw. kraft Öffnungsklausel getroffener Beschlüsse nicht auf. Sie ordnete nur den Vorrang der gesetzlichen Regelungen an. Folglich sind abweichende Regelungen mit Aufhebung dieses Vorrangs wieder wirksam.
B. Eintragung von Altbeschlüssen aufgrund vereinbarter Öffnungsklauseln (§ 48 Abs. 1 WEG)
I. Anwendbarkeit neuen Rechtes auf Altbeschlüsse
1. Beschlüsse kraft gesetzlicher Öffnungsklausel
Rz. 6
§ 48 Abs. 1 WEG ordnet auch für vereinbarungsändernde Beschlüsse, die vor Inkrafttreten des neuen Rechts gefasst oder durch Gerichtsentscheidung ersetzt wurden, die Anwendbarkeit von §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 2 und 10 Abs. 3 WEG an. Für Beschlüsse, die kraft gesetzlicher Öffnungsklausel gefasst wurden, bleibt es somit bei der fortgeltenden Wirksamkeit gegen Sonderrechtsnachfolger. Denn für sie gilt § 10 Abs. 3 S. 2 WEG, wonach sie ohne Eintragung in das Grundbuch gegen Sonderrechtsnachfolger wirken. Dies gilt unabhängig davon, ob die gesetzliche Öffnungsklausel in das neue Recht übernommen wurde. Auch Beschlüsse nach §§ 16 Abs. 4, 21 Abs. 7 WEG a.F. gelten fort.
2. Beschlüsse kraft vereinbarter Öffnungsklausel
Rz. 7
Für Beschlüsse kraft vereinbarter Öffnungsklausel kommt dagegen grundsätzlich § 10 Abs. 3 S. 1 WEG zur Anwendung. Ihre Wirksamkeit setzt somit die Eintragung in das Grundbuch voraus. Für die Abgrenzung zum Beschluss kraft gesetzlicher Öffnungsklausel gilt über die Verweisung auf §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG das zum neuen Recht Gesagte entsprechend: Das Grundbuchamt hat somit zu prüfen, ob sie kraft einer im alten Recht geltenden gesetzlichen Öffnungsklausel hätten gefasst werden können oder nur aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel. Nach demselben Maßstab richtet sich ihre Fortgeltung gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 WEG.
II. Befristete Fortgeltung
Rz. 8
Für Beschlüsse kraft ...