Rz. 26

Der eheangemessene Selbstbehalt ist grundsätzlich ein individueller und damit variabler Selbstbehalt. Erst der Ehegattenmindestselbstbehalt ist als Untergrenze ein "fester" Selbstbehalt.[3]

 

Rz. 27

Der eheangemessene Unterhalt (= eigener angemessene Unterhalt i.S.v. § 1581) entspricht betragsmäßig dem eheangemessenen Ehegattenunterhalt i.S.v. § 1578 Abs. 1 S. 1 (vgl. hierzu auch Fall 14, siehe § 2 Rdn 17 ff.).

 

BGH, Urt. v. 15.3.2006 – XII ZR 30/04

Um zu verhindern, dass der Unterhaltspflichtige gegenüber einem höheren eheangemessenen Unterhaltsbedarf bis zur Grenze eines Mindestselbstbehalts hafte, und dadurch der Grundsatz der Halbteilung nicht mehr gewahrt werde, sei der eigene angemessene Unterhalt im Sinne von § 1581 BGB, dessen Gefährdung den Einstieg in die Billigkeitsprüfung eröffnet, grundsätzlich mit dem eheangemessenen Unterhalt nach § 1578 BGB gleichzusetzen. Nur eine solche Gleichsetzung des eigenen angemessenen Unterhalts in § 1581 BGB mit dem eheangemessenen Unterhalt im Sinne des § 1578 BGB könne vermeiden, dass der Unterhaltsberechtigte unter Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe seinen vollen eheangemessenen Unterhalt erhalte, während der Verpflichtete erst dann nicht mehr als voll leistungsfähig behandelt werde, wenn ein generell bestimmter, unter seinem eheangemessenen Bedarf liegender Selbstbehalt gefährdet würde. Die in § 1581 BGB vorgeschriebene Abwägung habe neben der Sicherung des Eigenbedarfs des Unterhaltspflichtigen auch den Zweck, das verfügbare Einkommen so unter den (geschiedenen) Eheleuten zu verteilen, dass die dem Berechtigten zustehenden Unterhaltsleistungen nicht in einem unbilligen Verhältnis zu den Mitteln stünden, die dem Verpflichteten für seinen eigenen Bedarf verblieben. Um diesem Zweck voll gerecht zu werden, müsse die Billigkeitsabwägung aber bereits eröffnet sein, wenn der Verpflichtete den vollen geschuldeten Unterhalt nicht ohne Gefährdung seines eigenen eheangemessenen Unterhalts leisten könne (Urteile BGHZ 109, a.a.O. = FamRZ a.a.O., 264 und vom 9.6.2004 – XII ZR 308/01, FamRZ 2004, 1357, 1358 f.). Diese Rechtsprechung hatte allerdings zur Folge, dass in einer Vielzahl von Fällen – und zwar stets dann, wenn das verfügbare Einkommen nicht ausreicht, um den beiderseitigen ursprünglich eheangemessenen Unterhalt einschließlich eines eventuellen Mehrbedarfs zu befriedigen – der Unterhalt des berechtigten Ehegatten nach Billigkeitsgrundsätzen gemäß § 1581 BGB zu bemessen ist.

 

Rz. 28

Diese Rechtsprechung erlangte nach der Unterhaltsreform von 2008 wieder Bedeutung, da der Ausgleich zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den beiden unterhaltsberechtigten Frauen nicht auf der Ebene der Bedarfsbemessung (durch Dreiteilung) erfolgen darf.

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09

… der eigene angemessene Unterhalt nicht geringer sein darf als der an den Unterhaltsberechtigten zu leistende Betrag (Urteil BGHZ 109, 72 = FamRZ 1990, 260, 264; so auch Wellenhofer, FF 2011, 144, 147; Borth, FamRZ 2011, 445, 448 f.; Graba, FF 2011, 102, 105; Gutdeutsch, FamRZ 2011, 523, 524 f.; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 597, 598 f. und Maier, FuR 2011, 182; a.A. Maurer, FamRZ 2011, 849, 856 f.).

[…] hat der Senat schon in der Vergangenheit den individuellen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen als "Kehrseite" des Unterhaltsbedarfs des Berechtigten behandelt und den angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1581 BGB, bei dessen Gefährdung die Billigkeitsabwägung einzusetzen hat, mit dem Unterhaltsbedarf des Berechtigten nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichgesetzt (Urteil BGHZ 109, 72 = FamRZ 1990, 260, 264).

 

Rz. 29

Der eheangemessene Selbstbehalt gilt fortdauernd.

Diese Folge des Grundsatzes gleicher Teilhabe der Ehegatten (Halbteilung) hat keine wesentliche Bedeutung, wenn nur ein Ehegatte vorhanden ist, weil dessen Bedarf eben nach dem Halbteilungsgrundsatz ermittelt wird und dem Unterhaltspflichtigen dann rechnerisch ohnehin die andere Hälfte des gemeinsamen Einkommens verbleibt. In diesen Fällen ist i.d.R. nur darauf zu achten, dass der Ehegattenmindestselbstbehalt nicht unterschritten wird.

 

Rz. 30

Der eheangemessene Selbstbehalt war in der Vergangenheit z.B. in Fällen der Unterhaltspflicht gegenüber einer Ehefrau und einem nachrangigen volljährigen Kind von Bedeutung. Bei konkurrierenden Unterhaltsansprüchen von Ehefrauen bzw. Partnerinnen trat das Problem nicht hervor, solange die neue Ehefrau nach dem bis 31.12.2007 geltenden Unterhaltsrecht gegenüber der alten Ehefrau nachrangig war bzw. solange nach dem neuen Unterhaltsrecht zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den konkurrierenden unterhaltsberechtigten Frauen das Gleichgewicht, das den eheangemessenen Bedarf und damit Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen wahrt, durch die Dreiteilungsmethode (vgl. Anhang Dreiteilungsmethode, siehe Anhang 1 Rdn 1 ff.) hergestellt wurde.

 

Rz. 31

Die Bedarfsermittlung nach der Dreiteilungsmethode wurde jedoch vom BVerfG für unzulässig erklärt (vgl...

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